Was tun, wenn ein älteres Stillbaby nachts sehr häufig nach der Brust verlangt und nur einschläft, wenn es an der Brust ist oder herumgetragen wird?
Der einzige Weg aus dieser anstrengenden Situation scheint oft das vollständige Abstillen zu sein.
Oder gibt es noch andere Möglichkeiten?
In diesem Video erkläre ich, wie es zu dieser Situation kommt, warum Abstillen nicht die beste Lösung ist und wie es gelingt, dem Baby das in den Schlaf tragen liebevoll abzugewöhnen.
Frage:
„Hallo, meine Tochter ist 14 Monate alt und isst ausreichend am Familientisch mit. Zum Bettgehen stille ich noch und dann wird sie in den Schlaf getragen.
Nachts haben wir jetzt aber die Situation, dass sie nur noch an der Brust nuckelnd einschläft.
Wenn ich versuche die Brust zu lösen, dann schreit sie sehr energisch, was ungünstig ist – im Familienbett mit einem älteren Kind. Ein Schnuller wird auch nicht als Ersatz akzeptiert. Richtig trinken tut sie nachts nicht mehr an der Brust.
Die Nächte sind so sehr anstrengend und ich bin am Überlegen, ob ich das Stillen komplett aufhören soll, damit sich die Situation verändert.
Oder hätten Sie noch einen anderen Ratschlag?“
Antwort:
Ja, den habe ich tatsächlich.
Es ist nämlich zum einen nicht unbedingt erforderlich abzustillen. Und dann ist es noch nicht einmal sicher, dass es wirklich auch den gewünschten Erfolg hat, wenn du jetzt dein Baby in dieser Situation abstillst.
Mögliche Lösungswege
Bei einem Stillbaby, das schon älter als ein Jahr ist, gibt es zum einen noch die Möglichkeit, mit dem „10-Nächte-Programm“ nur nachts abzustillen. Darüber gibt es hier bereits einen ausführlichen Blog-Artikel von mir. Da kannst du einmal schauen, ob das etwas für euch sein könnte.
Es gibt für ältere Kinder auch die Möglichkeit des räumlichen Abstillens. „Räumliches Abstillen“ bedeutet, dass in bestimmten Räumen nicht mehr gestillt wird. Zum Beispiel, wenn du nicht mehr im Bett stillen möchtest, wäre dann das Schlafzimmer der Raum, in dem dann abgestillt ist. Hier ist ein kurzes Video, was ich dazu schon mal aufgenommen habe.
Ich würde dir aber tatsächlich diese beiden Optionen noch nicht empfehlen. Weil es wahrscheinlich bei euch nicht so ohne weitere funktionieren würde, wenn du jetzt nicht mehr im Bett stillst oder zu bestimmten Zeiten nicht mehr die Brust gibst, so wie das in dem 10-Nächte-Programm empfohlen wird.
Du schreibst ja, dass dein Kind jetzt in den Schlaf getragen wird. Diese Situation habe ich öfter in meinen Beratungen und die Erfahrung zeigt, dass es dann wichtig ist, als ersten Schritt erst mal dieses Tragen in den Schlaf abzugewöhnen.
Das geht aber nicht von heute auf morgen. Du kannst das jetzt nicht einfach plötzlich einstellen, wenn dein Kind es gewohnt ist, immer auf diese Art und Weise einzuschlafen.
Sondern du solltest da ein bisschen langsamer vorgehen. Ich will dir auch genau erklären, warum. Denn dann wird es sehr logisch und verständlich, was du da jetzt am besten machen kannst.
Wichtigste Schlafvoraussetzung
Ein ganz wichtiger Punkt, um einschlafen zu können – und das gilt übrigens nicht nur für unsere Babys – ist nämlich das Thema Sicherheit. Wir müssen uns sicher fühlen, um einschlafen zu können und auch um weiterschlafen zu können.
Und diese Sicherheit bekommen wir auf ganz unterschiedliche Arten. Erst mal ist da natürlich die vertraute Umgebung, das eigene Zuhause, das bekannte Bett, vielleicht noch bestimmte Kuscheltiere oder eben eine vertraute Person, mit der wir nachts zusammenschlafen.
Wir müssen uns wohlig fühlen, also warm genug, aber auch nicht zu warm. Zudem dürfen wir auch nicht hungrig oder durstig sein.
Natürlich können wir nicht schlafen, wenn wir eigentlich gerade auf die Toilette müssen.
Und wir brauchen vertraute, gewohnte Geräusche um uns herum. Plötzliche und ungewohnte Geräusche sind so alarmierend für uns, wenn wir sie nicht richtig einordnen können, dass wir dann auch nicht schlafen können.
Weil all diese ungewohnten, fremden neuen Sachen, die unseren Schlaf stören, könnten uns auch potenziell gefährden. Also macht es durchaus auch Sinn, dass wir zum guten Schlafen eben auch erst mal diese Sicherheit brauchen.
Und was uns natürlich auch viel Sicherheit gibt, sind Gewohnheiten und Rituale, die wir auch vor dem zu Bett gehen machen.
Und natürlich darf auch der vorausgegangene Tag nicht zu aufregend sein, weil die Erlebnisse uns sonst auch noch weiter beschäftigen und verarbeitet werden müssen und uns das vielleicht vom Einschlafen oder vom Weiterschlafen abhält.
Also, da kommt eine ganze Menge zusammen und über dem Ganzen steht als Überschrift ganz groß das Wort „Sicherheit“.
Und diese Sicherheit brauchen natürlich auch unsere Babys um einschlafen zu können.
Nähebedürfnis von Babys
Babys haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Nähe, da nur die Nähe zu Mama und Papa ihr Überleben sichert.
Um sich sicher zu fühlen, benötigen sie daher zu Beginn vor allem den Körperkontakt zu ihrer vertrauten Person.
Vor allem bei Babys, die sich schwertun mit dem Einschlafen, wird dem Baby die Sicherheit auch noch zusätzlich über Bewegung vermittelt.
Durch Tragen in einer Tragehilfe oder auch im Arm herumtragen, durch Schieben im Kinderwagen, Bewegen, Wippen, Wiegen usw. Manche Eltern fahren ja sogar mit ihren Babys mit dem Auto durch die Gegend, damit es sich durch diese Bewegung sicher fühlt und dann einschläft.
Aber das Problem ist natürlich auch, dass sich die Babys daran gewöhnen, wenn es sehr oft so gemacht wird. Sie brauchen dieses Bewegen dann auch häufig, um weiter zu schlafen.
Das trifft nicht auf alle Babys zu, aber bei dir oder bei eurem Baby scheint das der Fall zu sein. Weil dein Kind daran gewöhnt ist, kannst du das Tragen jetzt nicht auf einmal komplett weglassen.
Und die Brust ist jetzt im Grunde für dein Baby noch mal ein Ersatz für dieses in den Schlaf getragen zu werden. Also, es braucht wahrscheinlich nicht jedes Mal wirklich die Brust, weil es Hunger oder Durst hat.
Sondern es braucht die Brust, um deine Nähe zu spüren und sich sicher genug zu fühlen und weiter zu schlafen, weil es jetzt im Bett nicht bewegt wird. Die vertrauten Reize plötzlich komplett wegzulassen, wäre sehr hart für dein Kind und ist deshalb nicht zu empfehlen.
Vorgehen beim Abgewöhnen
Meine Empfehlung ist in solchen Fällen dann immer, dieses Bewegen zur Einschlafbegleitung schrittweise zu reduzieren.
Ich würde versuchen dieses In-den-Schlaf-tragen kürzer zu machen und mich dabei langsamer zu bewegen. Vielleicht tatsächlich sogar nur zu stehen am Anfang und mich einfach ein bisschen hin und her zu wiegen.
Und dann nach einiger Zeit auch gar nicht dabei zu stehen, sondern einfach nur zu sitzen. Sodass dein Baby sich von diesem Umhergetragen werden langsam entwöhnt und ihm dann bald das Einschlafen im Sitzen ohne Bewegung – aber eben noch mit Körperkontakt – gelingt.
Und auch das ist dann nur ein Schritt hin zu dem Moment, wo es deinem Kind beim Einschlafen reicht, wenn du neben ihm im gleichen Bett bist. Oder wenn es in seinem eigenen Bett liegt, dass du noch anwesend bist.
Vielleicht berührst du es auch noch irgendwo ein bisschen am Kopf oder an der Hand. Aber dieses Berühren sollte möglichst auch nicht mit so viel Bewegung, wie z.B. Streicheln oder Klopfen, einhergehen, sondern einfach nur ein ruhiger, stetiger Kontakt sein.
Vielleicht reicht es deinem Kind auch irgendwann, wenn es nur noch ein akustisches Anwesenheitssignal, wie z.B. ein leises Sprechen mit dem Kind oder Summen oder Singen, von dir hört, um sich sicher zu fühlen.
Mit der Zeit wird es dann immer weniger Reize benötigen, um sich sicher genug zu fühlen und einschlafen zu können.
Und wenn es ihm gelingt, abends ohne dieses Herumtragen einzuschlafen, ist es sehr wahrscheinlich, dass es dann auch in der Nacht mit weniger Stimulation – und in dem Fall dann eben mit weniger Nuckeln an den Brüsten – wieder weiterschläft.
Es kann aber auf jeden Fall sein, dass ein zweijähriges Kind immer noch ein- oder zweimal in der Nacht eine Mahlzeit braucht. Wenn du nach einigen Stunden Schlafen merkst, dass es einfach nicht wieder zur Ruhe kommt, sondern immer energischer nach deiner Brust verlangt, hat es dann vielleicht tatsächlich Durst oder Hunger und braucht noch mal ein paar Kalorien. Dann gibt sie ihm ruhig, wenn das für dich okay ist.
Vielleicht muss es aber auch seine Blase oder den Darm entleeren? Dann könnte zum Beispiel Abhalten, wenn ihr das mit dem Kind macht, oder ein Wechseln der Windel noch mal erforderlich sein.
Insgesamt werden so deine Nächte dann vielleicht wieder so entspannt sein, dass ihr alle genügend Schlaf bekommt und du dann einfach auch gerne noch so lange weiterstillst, wie dein Kind es braucht.
Schreibe doch gerne mal in die Kommentare, wie Du Deinem Baby beim Einschlafen hilfst und ob und ggf. auch, wie Du die Einschlafbegleitung erfolgreich reduziert hast!
Regine Gresens, IBCLC, November 2024
Foto: StockerThings via Canva
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