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Von L.M. |
Mit dem Stillen hatte ich mich vorher nicht befasst. Ich war schwer beschäftigt mit der bevorstehenden Geburt und all den Vorbereitungen für unser neues Familienmitglied.
Zum Thema Stillen war ich noch nicht recht gekommen, und ich hatte mich dazu entschlossen, in dieser einen Sache voll der Natur zu vertrauen. Es würde schon klappen.
Alles an der Geburt war anders als ich es mir vorgestellt hatte. Aber es ging ganz gut, am Ende recht rasant, und dass ich diesen kleinen Menschen geboren habe, ist bis heute ein unfassbar schönes Wunder.
Als mein Sohn zum ersten Mal auf mir lag, fand er ziemlich schnell den Weg zur Brustwarze und saugte daran. “Naturtalent“ sagte die Hebamme.
Danach lief alles erst mal normal weiter. Ich hatte zwar nicht erwartet, dass der Kleine quasi nonstop an der Brust hängen würde, aber ich genoss es.
Als ich nach unserer zweiten gemeinsamen Nacht die Stationskinderärztin fragte, ob das normal sei, wurde mir in barschem Ton ein “Wahrscheinlich haben Sie zu wenig Milch“ um die Ohren gehauen.
Wie bitte? Es war wie eine Ohrfeige.
Im hochsensiblen emotionalen Zustand nach der Geburt war ich überhaupt nicht in der Lage, besonnen zu reagieren. Mein Sohn habe 10 % des Geburtsgewichts verloren und man müsse jetzt zufüttern.
Zufüttern? Ich hatte zugegebenermaßen keine Ahnung, was genau das bedeutete.
Etwa Bestandteile von Kuhmilch? Ich wollte das nicht und machte mir große Sorgen, ob das meinem Baby schaden könnte.
Nach weiteren 24 Stunden ohne Gewichtszunahme gab ich nach.
Zufüttern sollten wir mit einer Spritze und einem Schläuchlein, wahlweise an der Brust (was für ne Fummelei) oder mit dem Finger. Letzteres konnte auch mein Freund übernehmen. Entlastend für mich und meine unglaublich schmerzhaften Brustwarzen.
Zu Hause ging es mir besser. Vorbei dieser Krankenhaus-Irrsinn mit ständig wechselnden Ansprechpartnern.
Nur noch ein klarer Fahrplan vereinbart mit meiner Hebamme. Ich hatte großes Glück: sie war auf dem absolut neuesten Stand und verabredete mit uns ein recht forderndes Programm: Anlegen, Premilch nach Bedarf, Pumpen, auch nachts. Und alles notieren. Ein Fulltime-Job.
Es war emotional belastend. Wieso war ich nicht in der Lage, mein Kind satt zu machen? Es ist doch das Natürlichste der Welt. Und es gab keinen ersichtlichen Grund dafür, dass ich zu wenig Milch hatte.
Mein Freund unterstützte mich zwar voll, aber wirklich verstehen konnte er mich nicht. Was war mein Problem mit der Premilch? Konnte man doch einfach hinzugeben, um meinen Stress zu verringern.
Außerdem wurde die künstliche Milch für ihn zum Synonym für ein sattes, zufriedenes und ruhiges Baby. Pre = Ruhe. Das stand im Raum. Denn jede Äußerung von Unzufriedenheit unseres Kindes war für uns zum Ausdruck seines Hungers geworden.
Das war das Schlimmste: immer wenn der Kleine weinte oder gar schrie, fühlte ich mich schuldig. Ich konnte ihn nicht zufriedenstellen.
Dabei wollte er pausenlos an meiner Brust sein, an der Brust war alles gut. (Ich meine übrigens WIRKLICH PAUSENLOS. Nicht “alle zwei Stunden“, was andere als “pausenlos“ bezeichneten.) Er machte dabei gern ein Nickerchen, und wenn er wieder aufwachte, wollte er wieder saugen.
Das kam auch in meinem Umfeld nicht so gut an. “Du kriegst eine Entzündung.“ “Das Kind braucht einen Schnuller.“ “Lass ihn mal schreien.“ “Es soll wohl nicht sein.“ Jeder hatte einen Ratschlag für mich.
Interessanterweise konnte ich immer für meine Verhältnisse viel Milch abpumpen, wenn ich mal für drei Stunden raus kam, mich mit meiner Arbeit befasste und der Vater übernahm.
Irgendwann hatten wir es eine Woche ohne Premilch geschafft!
Auch die Bestrahlung meiner Brustwarzen mit Low-Level-Laser war dabei hilfreich gewesen, denn die Schmerzen hatten mich immer wieder – zusätzlich – nervlich an Grenzen kommen lassen.
Doch leider stagnierte kurz darauf Babys Gewicht erneut. Was für ein Rückschlag! Das fühlte sich an wie voll arbeiten zu gehen und trotzdem Hartz 4 beantragen zu müssen.
Wenn ich doch nur so viel abpumpen könnte, dass immer genug da wäre, dann wäre der Kampf gewonnen. Doch ich schaffte es einfach nicht, einen entsprechenden Vorsprung auszubauen.
Was letzten Endes den entscheidenden Schritt, die Premilch dauerhaft wegzulassen, ermöglichte, kann ich gar nicht sagen. Powerpumpen? Bockshornklee? Komprimieren der Brust? Galega officinalis? Oder setzte einfach der große Hormonflash verspätet ein?
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Jedenfalls kam die Wende mit einem Tapetenwechsel. Wir fuhren für knapp drei Wochen zu meinen Eltern.
Weiterhin war ich äußerst unsicher, wenn mein Sohn nicht zu beruhigen war, und da die Hebammenkontrolle mit dem Ortswechsel ausfiel, besorgte ich mir eine Waage.
Und dann die Überraschung: er nahm ganz wunderbar zu! Was für eine Erleichterung!
Ziemlich genau acht Wochen nach der Geburt ließ ich dann jegliches Zufüttern weg und habe bis heute nicht wieder zu Premilch gegriffen.
Nach und nach habe ich das Vertrauen entwickelt, dass in einem kleinen Baby so vieles vor sich geht, was es unruhig oder motzig werden lässt oder zum Weinen bringt. Es war nicht immer Hunger!
(Im Übrigen habe ich nicht ein einziges Mal Stilleinlagen benötigt. Ich hatte die Tatsache, dass bei mir niemals Milch “einfach so“ austrat, immer als Bestätigung für die Stillprobleme gesehen, doch offensichtlich ist “es“ auch ohne diese Anzeichen möglich.)
Ja, das stimmt. Wenn Muttermilch nicht spontan zwischen den Stillzeiten oder beim Stillen an der anderen Seite ausläuft, sagt dies nichts über die vorhandene Milchmenge aus. Es gibt Mütter, die keine Stilleinlagen benötigen, obwohl sie viel Milch haben, und andere Mütter mit wenig Milch, die trotzdem jedenfalls in den ersten Monaten Stilleinlagen brauchen. Ähnliches gilt ja auch fürs Pumpen, die abgepumpte Menge zeigt nicht an, wie viel Milch da ist, sondern nur wie viel eine Mutter abpumpen kann.
~ R. Gresens
Inzwischen ist mein Sohn fünf Monate alt. Er ist noch immer ein „Brustfanatiker“ und kommt nach wie vor an keinem anderen Ort zur Ruhe.
Auch nachts ist er stets da, wo meine Brust ist. Und ich genieße es in vollen Zügen! Diese Nähe, diese Innigkeit! Wie eifrig er sich ans Trinken macht! Wie niedlich, was seine kleinen Händchen währenddessen treiben!
Manchmal wünsche ich mir, wieder mal öfter die Hände frei zu haben, aber ich kann schon erkennen, wie die Neugier auf die Welt ihn immer weiter unabhängig werden lassen wird.
Und ich ahne schon, dass ich in nicht allzu ferner Zeit mit großer Wehmut an unsere wunderschöne Stillbeziehung denken werde.
Ich danke insbesondere meiner Hebamme und auch zwei Stillberaterinnen im Still-Cafe dafür, dass sie uns beim schwierigen Start in diese Beziehung so kompetent unterstützt und immer wieder geduldig ermutigt haben!
L.M.
Originalbericht einer Mutter, November 2018
Foto: L.M.
Hast Du selbst eine schwierige Situation mit Deinem Baby erfolgreich bewältigt?
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Vielen Dank für das Teilen Deiner Erfahrungen.
Dein Bericht zeigt sehr nachvollziehbar, wie emotional belastend Stillschwierigkeiten sein können, wenn sie das eigene Selbstwertgefühl und das Selbstverständnis der Mutter in Frage stellen. Wird dann der Druck und das Kontrollieren wollen losgelassen, kommt es zu einer allgemeinen Entspannung, bei der dann oft auch die Milch besser fließt. Das hattest Du ja auch schon vorher erfahren, wenn Du mal für einige Stunden aus Eurer Situation herauskamst und gleich danach mehr Milch abpumpen konntest.
~ R. Gresens
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