Wenn das Anlegen des Neugeborenen anfangs schwierig ist, wird Müttern oft gesagt, ihre Brustwarzen seien zu klein oder zu flach zum Stillen.
Aber, stimmt das wirklich?
Können Brustwarzen zu klein oder zu flach sein, um stillen zu können?
Nein, natürlich nicht.
Auch Frauen mit Schlupf- oder Hohlwarzen können stillen.
Wenn es nicht so wäre, hätte die natürliche Selektion im Laufe der Jahrtausende schon längst dazu geführt, dass die Erbanlagen für flache, Schlupf- oder Hohlwarzen nicht mehr weitergegeben werden können.
Tatsächlich handelt es sich aber um eine normale anatomische Variation. Ein Drittel der Mütter hat Flach-, Schlupf- oder Hohlwarzen.
Und kleine, flache, Schlupf- und sogar Hohlwarzen müssen nicht unbedingt zu Stillproblemen führen.
Ich kenne eine Mutter mit einer einseitigen Hohlwarze, deren Kind nach einer längeren problemlosen Stillzeit nicht mehr an die Brust mit der „hervorstehenden“ Brustwarze ging und noch einige Monate weiter ausschließlich an der Brust mit der Hohlwarze getrunken hat…
Denn unsere Babys trinken an der Brust, nicht an der Brustwarze.
Außerdem haben Neugeborene bei ihrer Geburt noch keine feste Vorstellung davon, wie die Brust oder die Brustwarze sein sollte.
Ganz im Gegenteil: Sie sind außerordentlich anpassungsfähig an das, was sie in ihrer Umgebung – sprich bei ihrer Mutter – vorfinden.
Die lebenslange Anpassungsfähigkeit (Plastizität des Gehirns) an die verschiedensten Umgebungen und Lebensbedingungen zeichnet uns Menschen doch gerade aus – ganz besonders unsere Babys. Genau das macht uns nämlich auch so überlebensfähig.
Zudem sollte das Baby beim Stillen ohnehin nicht nur die Brustwarze im Mund haben und daran saugen. Davon würden die Brustwarzen nämlich sehr schnell wund werden und es könnte auch nur wenig Milch aus der Brust herausbekommen.
Denn tatsächlich saugt es nicht die Milch aus der Brust, sondern löst durch das Saugen nur den Milchspendereflex aus und „melkt“ zusätzlich die Brust bzw. den Vorhof mit seinem Unterkiefer und seiner Zunge.
Auch mit Hohl- oder Schlupfwarzen kann daher problemlos gestillt werden. Vorausgesetzt das Baby wird so angelegt, dass es viel Brust erfasst hat.
Der erfasste Bereich der Brust wird dabei in seinem Mund etwas in die Länge gezogen und füllt so die Mundhöhle fast gänzlich aus.
Im Englischen wird dazu gesagt: He forms a teat in his mouth.
(Übersetzt: Es formt eine Zitze in seinem Mund.)
Wenn das Baby genug Brust im Mund hat, hat die Größe oder Länge der Brustwarze keine Bedeutung.
Sie ist schließlich nur die Spitze der „Zitze“, ob diese nun 0 oder 0,5 oder 1 oder 1,5 cm lang ist, spielt keine Rolle.
Was kannst Du tun, wenn Du eher flache Brustwarzen hast?
Entscheidend ist Dein Baby gut anzulegen, damit gleich viel Brust in seinen Mund gelangt.
Dafür muss die Brust – und besonders der Vorhof (Areola) – weich genug sein, was sie in der Regel nach der Geburt – in der natürlichen Kennenlern- und Übungsphase der ersten Tage – ja auch ist.
Aus diesem Grund solltest Du Deine Brüste von Anfang an häufig entleeren. Wenn es Dein Baby nicht macht, entleere sie mit der Hand oder später mit einer guten Pumpe. So kannst Du einen „Milcheinschuss“ mit einer starken Schwellung der Brüste in der ersten Woche vermeiden.
Auch im weiteren Verlauf solltest Du besser häufig anlegen, damit Deine Brüste nicht zu voll und zu prall werden.
Darüber hinaus ist es wichtig, dass Du rechtzeitig mit dem Anlegen beginnst, bevor Dein Baby allzu hungrig ist und leichter ungeduldig wird, wenn es nicht gleich beim ersten Versuch gelingt.
Wenn Dein Vorhof sehr prall und geschwollen ist, kann die Reverse-Pressure-Softening-Technik unmittelbar vor dem Anlegen hilfreich sein, um ihn weicher und besser fassbar zu machen.
Ebenso wichtig ist, dass sich Dein Neugeborenes nicht als erstes oder bereits sehr früh an einen langen, festen Sauger gewöhnt. Es sucht dann nämlich beim Anlegen nach diesem „Super-Nippel“, der bei Dir nun einmal nicht vorhanden ist.
Das heißt, dass Du Stillhütchen, Flaschensauger, Schnuller oder auch einen Finger zum Saugen in der ersten Wochen möglichst vermeiden solltest, bis sich das Stillen gut eingespielt hat.
Falls Dein Baby vorher (zu)gefüttert werden muss, sollte dies daher mit einem Löffel oder einem kleinen Becher erfolgen, nicht mit Fingerfeeding oder mit einer Flasche.
Bei größeren Trinkmengen kann auch mit einem Spezial-Trinkbecher, z.B. dem Softcup*, (zu)gefüttert werden.
Übrigens kann sich im Laufe der Stillzeit die Elastizität Deiner Brustwarzen auch von selber verbessern, so dass sie irgendwann stärker hervorstehen oder sich nicht mehr zurückziehen. Auch Pumpen kann dies bewirken, wie Mütter, die längere Zeit abgepumpt haben, immer wieder berichten.
Oft wird zur Korrektur der Brustwarzen das Tragen von speziellen Brustwarzenformern* in der Schwangerschaft bzw. nach der Geburt, spezielle Techniken zum Dehnen des Bindegewebes und der Milchgänge (z.B. nach Hoffmann) oder das Herausziehen der Brustwarzen kurz vor dem Anlegen mit einem Saugball* empfohlen.
Die Wirksamkeit dieser Methoden ist jedoch nicht wissenschaftlich belegt. Darüber hinaus können sie ein gutes Anlegen nicht ersetzen oder ausgleichen.
Mach Dir also keine Sorgen wegen der Form oder der Größe Deiner Brustwarzen, sondern lerne am besten schon vor der Geburt, wie Du Dein Baby gut anlegst.
Autorin: Regine Gresens, IBCLC, November 2018
Foto: sean dreilinger nursing in the delivery room – _MG_4017 via photopin (license)
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Liebe Frau Gresens,
auch ich möchte gern meine Geschichte teilen und wie mir Ihre Seite geholfen hat, eine tolle Stillbezeichnung zu führen. Unser Sohn kam als kleiner Brummer mit 4250 g verteilt auf 55 cm auf die Welt. Die Geburt verlief eigentlich sehr unkompliziert, hatte aber bei 6 cm einen Geburtsstillstand, wodurch ich an den Wehentropf kam. Dazu hatte ich noch Buscopan und Paracetamol intravenös bekommen, wodurch ich mich schon fast high gefühlt habe. Ich glaube, dass es diese Umstände waren, die dazu geführt haben, dass unser Kleiner zwar an die Brust wollte, aber einfach nicht konnte. Wenn ich schon so benebelt war, wie fühlte sich dann unser Kleiner?
Auch ich habe sehr flache Warzen und der Kleine hatte durch die lange Pressphase eine ordentliches Hämatom am Kopf. Da er nicht trinken konnte, musste ich abpumpen und er bekam das Kolostrum per Fingerfeeding. Zusätzlich haben wir mit den Hebammen immer wieder probiert ihn anzulegen. Selbst mit Stillhütchen klappte es nicht. Wir bekamen sogar eine Osteopathin zu uns bestellt und der Chefarzt kam und schaute nach einem verkürzten Zungenbändchen. Es war soweit alles in Ordnung mit ihm bis auf ein paar Verspannungen durch die Lage im Bauch und das Hämatom. Letztendlich landeten wir auf der Kinderstation, wo er in den Leuchtkasten kam, zur Behandlung der Neugeborenengelbsucht. Ich hatte am dritten Tag schon den Milcheinschuss, wodurch er überwiegend meine Milch per Flasche und nur sehr wenig Pre bekam. Nachdem er 24 h im Kasten war und Kräfte sammeln konnte, war es nun endlich soweit, dass er zumindest mit Stillhütchen trinken konnte. Wir waren so erleichtert, wenn auch mit Hütchen. Zuhause angekommen war ich hoch motiviert mit den hier gelesenen Tips, das Stillhütchen abzugewöhnen. Was auch in seiner dritten Lebenswoche geklappt hat. Seitdem läuft alles wie am Schnürchen, auch Nachts. Ich stille super gern im Liegen und so bekomme ich Nachts auch meinen Schlaf. Er will auch keinen Schnuller und ist mit seinen 4 Monaten so toll entwickelt, dass die Kinderärztin staunt, was unser Sohn schon alles kann.
Meine Brustwarzen sind mittlerweile auch nicht mehr flach.
Ich kann nur sagen, dass es sich wirklich lohnt zu kämpfen und hoffe, dass sich die Lage auf den Stationen bessert, so dass man von Anfang an eine gute Betreuung bekommt, um viel Leid zu verhindern.
Vielen Dank für Ihre Arbeit!
Liebe Leonie,
herzlichen Dank fürs Teilen von Eurer motivierenden Geschichte und Danke auch für das tolle Feedback. 🥰
So schön, dass das Anlegen ohne Stillhütchen dann doch noch so schnell geklappt hat.
Ich wünsche Euch noch eine glückliche weitere Stillzeit, solange wie es sich für Euch gut und richtig anfühlt.
Liebe Grüße,
Regine Gresens
Ich habe im Krankenhaus solche Vakuumschalen bekommen, die sich im BH tragen ließen um die Brustwarzen etwas mehr rauszukitzeln. Hat prima funktioniert und war nur wenige Tage nötig. Beim 2. Kind habe ich keine Hilfsmittel mehr gebraucht 🙂
Nochmal ein großes Lob für diese tolle informative Website!
Ich glaube ich habe alle Seiten zum richtigen Anlegen, zu Stillhütchen und deren Abgewöhnung, zu den typischen Fehlern und Problemen beim Stillen durchgearbeitet.
Ich sehe, dass mein Baby „falsch“ andockt, dass es ineffizient saugt und unruhig wird.
Wir haben von der Hebamme in der Klinik direkt Stillhütchen verpasst bekommen (wegen sehr sehr flacher Brustwarzen).
Das Stillen mit Hütchen funktioniert zwar – ist aber auch nach einem Monat noch schmerzhaft (insbesondere beim Andocken und den ersten kräftigen Zügen). Ich merke auch, dass der Nippel mit Hütchen nicht in die Komfortzone kommt.
Wenn das Mäuschen und ich entspannt sind, er mit Hütchen schon etwas saugen konnte und für mich der erste Schmerz vergangen ist, versuche ich ihn mit der „Flipple“ Technik asymmetrisch anzulegen. Meist hat sich der Vorhof und die Brustwarze dann schon etwas stillfreundlicher geformt und die Brust ist weich genug um sie mundgerecht zu „falten“.
Ich schaffe es zwar, ihn so ab und zu anzulegen – aber nie ihn „gut“ anzulegen. Der Nippel wird an Babys Gaumen gequetscht und es ist entsprechend schmerzhaft. Meist spuckt er die Brust nach ein paar Minuten (oder gleich) wieder aus und wird unruhig. Einige Male versuche ich es dann erneut – bis er so hochdreht, dass ich ihm doch wieder die Brust mit Hütchen anbiete.
Es ist einfach frustrierend – sicher für beide Seiten.
Ich habe leider auch keine Videos oder dergleichen finden können, die diese Flipple-Technik bei suboptimalen Brustwarzen / Brüsten zeigt.
Warum ist das nur so schwierig ?
Überall liest man, dass es funktionieren muss. Aber es klappt einfach nicht ?
Hallo Tini,
wenn es trotz asymmetrischer Anlegetechnik so gar nicht klappen will mit dem guten Anlegen, gibt es wahrscheinlich anatomische Gründe, wie etwa eine besondere Gaumenform, eine Blockade oder Dein Baby hat sich eine ungünstige Saugtechnik angewöhnt und benötigt vielleicht eine osteopathische Behandlung und/oder ein Saugtraining.
Woran es bei Euch liegt, kann daher nur durch eine persönliche Stillberatung mit oraler Untersuchung und direkter Beobachtung des Anlegens geklärt und ggf. behandelt werden.
Hier findest Du eine Still- und Laktationsberaterin in Deiner Nähe:
http://www.bdl-stillen.de/stillberatungsuche.html
https://www.stillen.de/laktationsberatung-finden/
https://verzeichnis.still-lexikon.de/
Ich wünsche Euch viel Erfolg dafür,
Regine Gresens
Ich habe total flache Brustwarzen und konnte erst mit Hilfe des ASYMMETRISCHEN ANLEGENS, das ich von Regine Gresens‘ PDF und Video hier auf der Seite gelernt habe, die Brustwarzen tief genug in den Mund bekommen, so dass sie nicht mehr wund wurden.
Das hat unsere Stillbeziehung gerettet, dafür werde ich immer dankbar sein!!!
Liebe Leo,
danke für Dein Feedback.
Es freut mich total, dass Dir das asymmetrische Anlegen geholfen hat.
Diese Technik ist leider noch immer ziemlich unbekannt, obwohl sie so effektiv und auch gar nicht so schwierig ist.
Ich wünsche Dir jedenfalls noch eine angenehme und entspannte weitere Stillzeit.
Herzliche Grüße,
Regine Gresens