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Von Juliane |
Unerwartete Frühgeburt, Überraschung – ein Chromosom mehr, Saugverwirrung gibt es wirklich, nach 3 Monaten zum vollen Stillen – all diese Titel könnte ich meinem Bericht ohne weiteres geben.
Und da ich in nächtlichen Zweifeln beim Pumpen oft nach Erfahrungsberichten anderer Mütter gesucht habe, die ähnliches erlebt haben, möchte ich hier von meinem unerwartet komplizierten Stillstart erzählen – mit Happy End!
Im Oktober 2019 erwarteten wir unser erstes Kind. Ich hatte eine völlig entspannte, schöne Kugelzeit. Meine Frauenärztin und die Vorsorgehebamme bescheinigten mir ständig wie „schön langweilig“ doch meine Schwangerschaft wäre.
Entsprechend positiv ging ich an die Geburt, natürlich nicht völlig angstfrei – wer ist das schon? Aber ich hatte ein sonderbares Vertrauen in meinen Körper, dass das schon alles seinen Gang gehen würde.
Tat es dann auch – allerdings aus dem Nichts vier Wochen zu früh.
Ich wurde bei 36+1 nachts um 1.30 Uhr wach mit Unterleibskrämpfen, schön regelmäßig und zunehmend. Ich war überzeugt davon, dass ich mich irren musste. Es war ja viel zu früh!
Ich stand auf, um meinen Mann nicht zu stören (der morgens ja zur Arbeit musste) und machte mir ein Kirschkernkissen* warm. Im Vorbereitungskurs hieß es ja, wenn Wärme hilft, dann sind es nur Senkwehen.
Es half nicht. Im Gegenteil… Es wurde schnell immer heftiger, sodass ich nicht mehr wusste, wie ich mich positionieren sollte. Die Abstände waren schließlich bei 4 Minuten, als ich meinen Mann weckte.
„Ich weiß nicht, was los ist. Aber irgendwas stimmt nicht. Lass uns das abklären und dann kannst du ja danach zur Arbeit.“
So oder so ähnlich meine Worte. Aber ich bat ihn die Krankenhaustasche mitzunehmen.
Während er sich anzog, wurde aus dem Plan zu Fuß zum Krankenhaus zu gehen (300 m Wegstrecke) ein knurrendes „Hol das Auto!“
An dieser Stelle kürze ich mal ab – ich kam an mit 8 cm geöffnetem Muttermund und um 6.45 Uhr war unser Sohn auf natürlichem Wege geboren. Was für Außenstehende nach einer tollen, raschen ersten Geburt klingt, war für mich ein Schock. Völlig unwirklich, viel zu schnell.
Gekrönt wurde diese surreale Begebenheit davon, dass mein Baby nach 5 Minuten auf Intensiv gebracht wurde, weil seine Sauerstoffsättigung nicht ausreichend war.
Da lag ich nun alleine im Kreißsaal und wartete auf meine Ausschabung (unvollständige Nachgeburt) und fragte mich wirklich, ob das alles ein doofer Scherz war.
Es folgte die schwerste Zeit meines Lebens – unser Sohn überraschte uns mit einem Chromosom mehr – dem Down Syndrom. Er entwickelte in der ersten Nacht eine Sepsis und wir mussten drei Wochen um ihn bangen.
Da ich unbedingt stillen wollte, fragte ich direkt auf der Wochenbettstation nach einer Milchpumpe. Man stellte mir kommentarlos eine zur Verfügung. Ich schrieb meiner Hebamme, die aber gar nicht in der Stadt war, wie oft ich pumpen sollte und stellte mir alle zwei Stunden einen Wecker.
Von Anfang an war die Pumpe mir lästig. Das Stillen, dass ich mir so schön und praktisch vorgestellt hatte, war weit weit weg. Nachts für eine Pumpe alle zwei Stunden aufzustehen, ist deutlich schwerer als für dein weinendes, real anwesendes Baby.
Trotzdem hatte ich in den kommenden 3 Wochen eine Aufgabe und so das Gefühl meinem Baby etwas Gutes zu tun.
Er bekam die Muttermilch anfangs über eine Magensonde. Von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr konnte ich bei ihm sein und ihn versorgen. Solange er beatmet wurde, war an Stillen nicht zu denken.
Eines Morgens kam ich zu ihm und der Nachtdienst erzählte mir, er habe 20 ml aus der Flasche getrunken. Die ältere, resolute Frau sagte, das habe er gebraucht. Ich war irritiert.
Er sollte doch keine Saugverwirrung bekommen! Außerdem hatten die Ärzte noch am Tag zuvor gesagt, dass seine Herzfrequenz nicht stabil genug sei zum Trinken.
Meine Bedenken wurden freundlich abgetan. Ich sollte mir keine Sorgen machen. Saugverwirrung sei sowieso eher ein Gerücht. Die Kinder lernen das alle irgendwie mit dem Stillen.
Ich nahm den Rat beruhigt an und konnte fortan mit Flasche füttern, weiterhin ausschließlich abgepumpte Muttermilch.
Das Zeitmanagement stellte mich zunehmend vor Probleme. Ich zerriss mich zwischen möglichst viel Zeit bei meinem Kind und möglichst oft abpumpen.
Nach einer Woche durfte ich das erste Mal versuchen ihn anzulegen. Doch mein Sohn machte den Mund einfach nicht weit auf. Ich hatte keine Ahnung, wie ich meine große Brust in diesen kleinen Mund bekommen sollte.
Man gab mir Stillhütchen. Damit klappte es tatsächlich, dass er an meiner Brust saugte und den Milchspendereflex auslöste. Ich war überglücklich! Allerdings schlief er immer unheimlich schnell ein, weil es so anstrengend für ihn war. Und dann war er einfach nicht mehr zu erwecken.
Daraus resultierte die Ansage, dass das zu wenig sei. Ich musste mit Stillprobe (vorher und nachher wiegen) stillen und den Rest mit der Flasche nachgeben. Das Wiegen war eine Tortur. Ein sehr leichtes Kind mit Kabeln und Schläuchen dran zu wiegen, ist quasi unmöglich.
Die Zahlen irritierten mich. Wenn ich glaubte, er hätte ganz gut getrunken, dann zeigte die Waage das Gegenteil. Und wenn ich mein müdes, geschafftes Kind zwingen musste, danach die vorgegebene Restmenge Milch aus der Flasche zu trinken, kam ich mir vor wie ein Verräter.
So machten wir weiter, bis wir nach guten drei Wochen nach Hause durften. Am Ablauf hatte sich nichts geändert. Ich versuchte ihn jede Mahlzeit erst mit Stillhütchen zu stillen und danach bekam er abgepumpte Muttermilch aus der Flasche.
Er wurde fitter und wacher, aber an der Brust immer schlechter. Wenn ich ein Anlegen ohne Stillhütchen versuchte, machte er den Mund einfach nie so weit auf, dass er genug Brust hinein bekam.
Zu Hause hatte mein Mann zum Glück einen Monat Elternzeit. Dadurch konnte ich relativ entspannt erst stillen, dann fütterte mein Mann das Fläschchen und ich pumpte währenddessen ab. Es spielte sich ganz gut ein. Obwohl die Stillversuche im Grunde vergeblich waren. Er versuchte es immer. Aber irgendwie stimmte die Technik scheinbar nicht.
Teilweise floss ihm die Milch in den Mund und er schluckte sie einfach nicht.
Es stellte sich leider heraus, dass meine Hebamme keine große Hilfe war. Sie sagte, dass Kinder mit dem Down Syndrom wegen ihrer großen Zunge nicht immer gestillt werden können.
Ich wollte nicht aufgeben, er schaffte ja so stark zu saugen, dass es nur so sprudelte. Also warum sollte er es nicht können!? Ich suchte lange nach meinem Fehler. Es musste ja irgendwas sein, was ich falsch machte.
Auf den Ratschlag meiner Hebamme ging ich dazu über ihn in einem festen Zeitrahmen (z.B. von 10 Uhr bis 16 Uhr) ausschließlich zu stillen ohne Flasche hinterher. Das endete mit einem hungrigen Baby und einer weinenden Mama. Er hing in dieser Zeit pausenlos an meinen Brüsten, die entsprechend weh taten, trotz Stillhütchen.
Als mein Mann wieder anfing zu arbeiten, hatte sich nichts geändert. Ich konnte unseren Sohn nicht an der Brust satt bekommen.
Alleine zu Hause war der Spagat zwischen Abpumpen, Sterilisieren und Füttern schwierig. Noch dazu, wollte ich unser Würmchen möglichst nicht einfach irgendwo alleine liegen lassen. Er ließ das auch kaum zu ohne Weinen.
Es zerrte an meinen Nerven.
Jeden Tag dachte ich darüber nach aufzugeben. Und jeden Tag entschied ich mich dagegen. Ich wollte mein Baby stillen.
Oft genug flossen Tränen und ich beschloss schließlich es bis Weihnachten zu versuchen.
Ich ging mit meinem Sohn zur Physiotherapie, die mich darin bestärkte, dass er eigentlich genug Saugkraft hätte. Sie motivierte mich, dass es kein besseres Training für Kinder mit Down Syndrom gäbe als Stillen.
Mehrere Wochen verließen wir das Haus nur, wenn es unbedingt nötig war. Ich hätte ja unterwegs nur bedingt abpumpen können. Ich fühlte mich zunehmend eingesperrt.
Schließlich empfahl mir meine Schwester eine Stillberaterin aufzusuchen. Diese bestärkte mich in meinem Wunsch und empfahl mir das Brusternährungsset*. Ich war skeptisch. Noch ein Teil mehr zum Reinigen.
Doch ich wollte keine Chance vergeben. Das erste Mal konnte ich mein Baby an der Brust sättigen. Es funktionierte immer noch nur mit Stillhütchen. Aber damit hatte ich mich längst abgefunden.
So tüdelten wir vier weitere Wochen vor uns hin.
Ich hatte das Gefühl, dass mein Sohn immer schneller satt wurde an der Brust mit Stillhütchen und Brusternährungsset.
Mit der puren Brust konnte er nach wie vor gar nichts anfangen. Unterwegs war das Brusternährungsset für mich aber denkbar ungeeignet.
Immer noch war ich überzeugt davon irgendwas falsch zu machen. Wieso klappte das Mund weit auf machen nicht? Wieso bekomme ich meine Brust nicht richtig in mein Baby rein? Wieso wird mein Baby mit Stillhütchen auch nach 45 min nicht satt?
Ich bat die Stillberaterin erneut zu kommen.
Sie sagte mir, dass ich nicht mehr tun kann, weil zu einem Stillpaar nun mal zwei gehören. Und wenn ein Baby die Technik des Trinkens an der Brust eben nicht hin bekommt, z.B. weil es nie etwas weiches, wie eine pure Brust, im Mund hatte beim Füttern, sondern eben nur harte Gummisauger (Flasche, Stillhütchen), dann kann man nur weiter üben und hoffen. Beibringen kann man ihm das nicht.
Also sollte es doch stimmen, dass mein süßes Baby das einfach nicht konnte? Oder war doch die Flasche schuld?
Ich stillte tagsüber nur noch mit Brusternährungsset und Stillhütchen, um ihm möglichst selten die Flasche zu geben.
Es ohne Stillhütchen zu versuchen hatte ich aufgegeben, obwohl ich innerlich immer den Verdacht hatte, dass das Stillhütchen unser eigentliches Problem war. Er zog so schön fest daran, aber irgendwie entleerte er meine Brust trotzdem nicht effektiv damit.
Es kam ein unspektakulärer Sonntagabend im Dezember. Moritz war fast drei Monate alt. Er hatte schon geschlafen und dann als wir ins Bett gegangen waren, wieder angefangen zu weinen und zu suchen.
Mein Mann ging schnell in die Küche um eine Flasche warm zu machen. Ich hatte gerade kein Stillhütchen griffbereit. Schnuller hat Moritz noch nie genommen. Tragen und Kuscheln beruhigte ihn heute nicht. Also nahm ich ohne Nachdenken meine pure Brust und bot sie ihm zur Beruhigung an.
Und das Wunder geschah – das allererste Mal öffnete mein Baby den Mund ganz weit! Ich stopfte ihm schnell meine Brust in den Mund – völlig perplex. Und ER TRANK! Einfach so, aus dem Nichts. Als hätte er nie etwas anderes getan, trank er aus meiner Brust bis er satt und zufrieden war.
Mein Mann kam mit der Flasche rein und guckte verdutzt. Ich sagte ihm, die Flasche wäre die letzte gewesen.
Und so war es tatsächlich auch. Ich traute mich schlicht nicht mehr ihm etwas anderes als meine Brust anzubieten, aus Angst er könnte die Brust danach wieder verlernen. Das Brusternährungsset liegt seitdem im Schrank und wurde nie wieder benutzt.
Es ging quasi auf einmal ohne jedwede Hilfsmittel. Ich habe bis heute keine Ahnung, was der Knackpunkt war. Die Milchpumpe behielten wir zur Sicherheit bis März im Schrank.
Wir stillen seit jenem Abend tatsächlich von Null auf Hundert voll. Und ich bin sooo unglaublich glücklich darüber.
Ich habe nicht das EINE klare Fazit. Aber ich habe daraus gelernt, dass man nicht immer einen Fehler oder Schuldigen findet. Vielleicht war es eine Saugverwirrung und er hätte nie die Flasche kriegen dürfen? Vielleicht brauchen manche Babys auch einfach länger als andere?
Sicher sind für mich drei Dinge:
1. Man sollte sich frühzeitig alle Hilfe holen, die man kriegen kann. Man ist keine schlechte Mutter, wenn man professionelle Stillberatung braucht. Nicht jede Hebamme kann das. Und ohne meinen Mann hätte ich viel früher aufgegeben.
2. Man sollte sich klar machen, wie wichtig einem das Stillen wirklich ist. Und sich ggf. eine Frist setzen, wie lange man es noch versuchen will. So hat man quasi ein Ziel vor Augen, das man unterwegs ggf. neu stecken kann.
3. Natürlich können Kinder mit Down Syndrom stillen. Sie brauchen vielleicht nur mehr Zeit, mehr Unterstützung und Geduld.
Juliane
Originalbericht einer Mutter, Mai 2020
Foto: „Unser erster Stillversuch“ – Juliane
Liebe Juliane,
ganz herzlichen Dank für diese schöne Stillgeschichte.
Es kommt durchaus immer wieder vor, dass das Stillen auch nach Wochen oder sogar Monaten ganz plötzlich ohne Stillhütchen klappt. Warum das auf einmal möglich wird, ist oft nicht ganz klar. Ich denke, es hängt zumindest teilweise damit zusammen, dass es ohne Druck geschieht, Du hattest Dich ja mit den Stillhütchen arrangiert und wolltest ihn nur zur Beruhigung anlegen.
Du hast völlig recht, es ist nicht immer möglich einen Grund für Stillprobleme zu finden. Und natürlich können Kinder mit Down-Syndrom stillen und es ist auch in der Tat eine Supertraining für ihre Mundmotorik – neben all den anderen Vorteilen, die das Stillen noch hat. Ich wünsche Euch noch eine wunderschöne Stillzeit, so lange, wie es Euch gefällt.
~ R. Gresens
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