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Autorin: Dr. Gill Rapley |
Ich werde oft von Eltern kontaktiert, deren Baby im Alter von 22 – 24 Wochen Interesse an fester Nahrung zeigt.
Sie möchten nicht riskieren ‚zu früh‘ zu beginnen und haben aber das Gefühl, ihr Baby gibt ihnen klare Signale, dass es dafür bereit sei.
Da ich nicht in der Lage bin, konkrete Empfehlungen für individuelle Babys zu geben, lautet meine allgemeine Antwort auf dieses Dilemma folgendermaßen.
Die 6-Monats-‚Regel‘ ist wichtig, weil sie Babys vor vorzeitigen Störungen ihres Essverhaltens schützt. Deshalb beziehe ich mich bei dem, was ich auch sage, immer darauf.
Dennoch ist meine aktuelle Haltung, basierend auf meiner Forschung und meiner klinischen Erfahrung, dass alles, was auch immer ein individuelles Baby bereit ist zu tun, wahrscheinlich auch das ist, was für dieses Baby richtig ist.
Es gibt triftige Gründe zu glauben, dass jene entwickelten Fähigkeiten, die für uns sichtbar sind (aufrechtes Sitzen usw.), ein zuverlässiges Zeichen für die Reife des (inneren) Verdauungssystem dieses Babys sind – die Natur macht sehr selten Fehler.
Also, wenn ein reifgeborenes, gesundes Baby (wirklich) aufrecht sitzen kann, Nahrung ergreift und zu seinem Mund bringt – OHNE UNTERSTÜTZUNG, dann ist es wahrscheinlich bereit, genau das zu tun.
Wenn es auch bereit ist, darauf zu kauen – und sie vielleicht sogar zu schlucken – dann ist das ist Ordnung, aber es ist meist eher der Fall, dass diese Fähigkeiten erst zu gegebener Zeit folgen.
Es ist mir ganz wichtig, auf die 6-Monats-‚Regel‘ sehr deutlich hinzuweisen, obwohl sie auch für mich nicht in Stein gemeißelt ist.
Der Grund dafür ist, weil sonst Personen, die mit dem Konzept von Baby-led Weaning (BLW) nicht vertraut sind, jegliche Aussagen, ein früherer Beginn sei akzeptabel, allzu leicht falsch verstehen könnten.
Und das kann dann der Auftakt eines rutschigen Geländes in gefährliche Praktiken sein, was ich absolut in keiner Weise gut heiße.
Das Problem ist, dass es leicht dazu verführt, mehr Fähigkeiten in seinem Kind zu sehen, als tatsächlich vorhanden sind. Und ihm nur ein kleines bisschen zu helfen, um ihm zu ermöglichen ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Meist ist das ohne Belang, aber wenn es ums Essen geht, ist die Fähigkeit – oder Unfähigkeit – eines Babys, die notwendige Abfolge von Handlungen zu bewerkstelligen, ein wichtiger Sicherheitsfaktor.
Ihnen über eine Hürde zu ‚helfen‘, die sie bisher noch nicht selbst bewältigen können (z.B. durch Extra-Unterstützung beim Sitzen oder Greifen, ihren Arm zum Mund führen, oder – noch schlimmer – ‚für sie‘ Nahrung in ihren Mund stecken) ist potentiell gefährlich.
Es ist zudem sinnvoll daran zu denken, dass das ‚Erreichen‘ des selbständigen Essens ein Ziel des Erwachsenen ist, nicht des Kindes. Das Baby weiß nicht, dass es bei all dem darum geht – es ist einfach nur dabei herauszufinden, wie sein Körper und all die Dinge ringsherum funktionieren.
Wenn es noch nicht schafft, die Nahrung zu seinem Mund zu bringen, na und? Es hat nicht ‚versagt‘ – und es hat nicht das Gefühl, Hilfe zu benötigen.
Die Funktion seiner Eltern ist, ihm die GELEGENHEIT zu geben, das zu tun, wozu auch immer es bereit ist, ob das Nahrung anfassen, aufheben, daran lecken, davon abbeißen, kauen und/oder sie schlucken ist – oder nichts davon. Nicht jedoch, es in die Lage zu versetzen etwas zu tun, das es noch nicht bewerkstelligen kann.
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Sechs Monate sind ein durchschnittliches Alter für die Beikostreife, genau wie die meisten Babys etwa um ihren ersten Geburtstag herum ihre ersten Schritte machen.
Zweifelsohne sind einige Babys früher bereit zu laufen – und manche später – das ist alles. Wir versuchen nicht diejenigen, die früher bereit sind, vor dem ‚korrekten‘ Alter am Laufen zu hindern.
Wenn wir darauf eingestellt sind zu akzeptieren, dass ein guter Anteil der Babys nicht in der Lage ist, sich selbst mit fester Nahrung zu füttern, bis sie sieben, acht oder neun Monate als sind, dann ist es absolut berechtigt davon auszugehen, dass es auch ein paar gibt, die möglicherweise schon damit beginnen, bevor sie das ‚magische‘ Alter von sechs Monaten erreicht haben.
Der springende Punkt ist aus meiner Sicht, dass es diesen Schritt spontan und autonom vollbringt.
Meiner Meinung nach sind Diskussionen über das ‚richtige‘ Alter für das Einführen von fester Kost nur wichtig, wenn es die Eltern sind, nicht das Baby, die entscheiden, wann damit begonnen werden sollte, Nahrung in seinen Mund zu stecken – so wie es natürlich beim Füttern mit dem Löffel geschieht.
Derartige Auseinandersetzungen sind überflüssig, wenn die Entscheidung von dem Baby getroffen wird, weil alle Babys die Fähigkeiten zum Essen in einer festen Abfolge entwickeln, in Übereinstimmung mit ihrer Gesamtreife.
Theoretisch gäbe es keinen Grund, einem Baby mit ein oder zwei Monaten nicht die Gelegenheit zu geben, aufrecht zu sitzen und sich Nahrung von einem Teller zu nehmen. Dass das keine vernünftige Option ist, liegt nicht daran, dass es das ‚falsche‘ Alter ist, sondern daran, dass das Baby einfach noch nicht dazu in der Lage ist. Selbiges gilt auch für drei, vier und fünf Monate.
Es ist extrem unwahrscheinlich, dass ein Säugling unter etwa fünfeinhalb Monaten, ohne irgendwelche ‚Hilfe‘, fähig wäre mehr als nur einen Geschmack von fester Nahrung zu bekommen. Diejenigen, die das schaffen, sind die Ausnahme, nicht die Regel. Sobald dies vollständig verstanden ist, stellt ‚früher‘ Beginn von fester Kost, aus meiner Sicht, kein Problem dar.
Eine Schlüsselaufgabe bei alledem ist, dass wir nicht die richtigen Worte haben, um die Einführung von fester Nahrung zu beschreiben, wenn das Baby die Kontrolle hat.
‚Beikosteinführung‘ mit Löffelfütterung und Brei heißt, dass jemand anderes Nahrung in den Mund des Babys steckt, an einem Tag, den er bestimmt hat.
Wohingegen ‚Beikosteinführung‘ mit BLW einfach bedeutet, Babys die Gelegenheit zu geben zu essen, falls und wann sie möchten und dazu fähig sind.
Es ist Sache des Babys, damit dann loszulegen.
Original: How early is too early to start introducing solid foods? von Dr. Gill Rapley, Januar 2017
Übersetzung: Regine Gresens, IBCLC, August 2018
Foto: Babsi Trattner
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Muss mein Kind sich selbst hinsetzen können, oder reicht es, wenn es auf dem Schoß aufrecht sitzen kann, ohne dass ich es halten muss?
Hallo Ida,
es reicht, wenn es auf dem Schoß aufrecht sitzen kann. Denn das Kind muss lange genug mit leichter Unterstützung im Hüftbereich aufrecht sitzen können, damit es nicht im Liegen gefüttert wird oder während der Mahlzeit im Sitzen immer mehr zusammensackt, weil dadurch das Risiko des Verschluckens sehr erhöht ist. Zudem verläuft die Darmreife auch annähernd parallel mit der motorischen Entwicklung. Deshalb zählt zu den Reifezeichen für Beikost auch das Greifen und in den Mund stecken von Nahrung sowie das Erlöschen des Zungenstoßreflexes und das Kauen und die Koordination von Schlucken und Atmen.
Bis sich Kinder ohne Hilfe selber hinsetzen können, dauert es oft noch um einiges länger. Da das aktive Hinsetzen sich zunächst aus dem Vier-Füßler-Stand bzw. dem Krabbeln entwickelt.
Liebe Grüße,
Regine Gresens
Toller Artikel. Danke dafür