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Frage:
Ich erwarte mein erstes Kind und würde am liebsten stillen. Zusätzlich würde ich aber auch gerne Milch abpumpen und meinem Ehemann die Möglichkeit geben, die Bindung über das Füttern zusätzlich aufzubauen.
Nun bin ich aber unsicher, wenn das Baby nur abends die Flasche bekommen soll.
Ab welcher Woche könnten wir damit starten ohne am Ende mit einer dieser Saugverwirrungen zu kämpfen? Oder wäre es bereits ab der Geburt möglich? Worauf muss ich ggf. noch achten?
Carina
Antwort:
Liebe Carina,
beim Trinken an der Brust und beim Trinken aus einer Flasche oder auch beim Saugen an einem Schnuller setzt das Baby sehr unterschiedliche Techniken ein.
Von einer Saugverwirrung bei einem Stillkind wird gesprochen, wenn ein Baby die Brust ablehnt und einen künstlichen Sauger bevorzugt, weil es als Erstes das Trinken daran gelernt hat und ihm die weiche Brust nicht den vom „harten“, langen Flaschensauger (oder Stillhütchen) vertrauten Reiz bietet.
Hinzu kommt noch, dass die Milch aus der Flasche schneller und einfacher läuft als an der Brust, wo es zunächst durch schnelles Saugen den Milchspendereflex auslösen muss, bevor die Muttermilch zu fließen beginnt.
Eine Saugverwirrung liegt ebenfalls vor, wenn ein Baby nach dem Trinken mit künstlichen Saugern (oder Stillhütchen) nun die Brust nicht (mehr) richtig – d.h. tief genug – in den Mund nimmt und falsch saugt oder die Brustwarze mit der Zunge aus dem Mund stößt, so dass das Stillen für die Mutter schmerzhaft ist und das Baby die Muttermilch nicht effektiv aus den Brüsten herausholen kann.
Damit es nicht zu Problemen beim Saugen an der Brust kommt, solltest Du daher zunächst von Anfang an darauf achten, Dein Baby gut und häufig anzulegen.
Denn das gute Anlegen ist der Schlüssel zum angenehmen Stillen und zur effektiven Anregung der Milchbildung mit einem zufriedenen und gut gedeihendem Baby.
In dem Video-Online-Kurs „Gut Anlegen“ bekommst Du ausführliche Tipps und hilfreiche Infos zum Anlegen in unterschiedlichen Positionen.
Durch unnötiges, frühzeitiges Einführen von künstlichen Saugern kann Eure gerade erst entstehende Stillpartnerschaft empfindlich gestört werden.
Warte daher unbedingt mit dem Anbieten von anderen Sauggelegenheiten, wie Stillhütchen, Flaschensaugern und auch Schnullern, bis sich das Stillen und die Milchbildung tatsächlich gut eingespielt haben. Bei den meisten Stillpaaren ist dies nach etwa acht Wochen soweit.
Unverletzte, nicht schmerzende Brustwarzen beim Stillen und eine gute Gewichtszunahme des Babys zeigen, dass das Anlegen und Saugen des Babys an der Brust gut funktioniert und die Milchmenge dem Bedarf des Babys entspricht.
Solange dies nicht der Fall ist, ist es besser mit dem Einführen von neuen Saugstimuli noch abzuwarten und stattdessen eine Stillberatung in Anspruch zu nehmen, um die Ursache(n) heraus zu finden und zu lösen.
Wenn es vorher nötig ist, einem Neugeborenen abgepumpte Muttermilch oder industrielle Säuglingsnahrung zu füttern, sollte dies nach Möglichkeit nur mit einer stillfreundlichen Methode, d. h. mit einem Löffel, Becher oder Softcup*, erfolgen, die das Saugen des Babys nicht irritieren können.
Darüber hinaus macht es Sinn mit dem Einführen von Flaschen mit abgepumpter Milch bis nach dem zweiten Wachstumsschub und Entwicklungssprung in der fünften bis sechsten Lebenswoche zu warten. Da es in dieser Zeit durch häufigeres Saugen und Entleeren der Brüste die Milchbildung seinem veränderten Bedarf entsprechend anregt.
Der Flaschensauger sollte in Form und Beschaffenheit der Brust möglichst ähnlich sein, damit das Baby beim Saugen an einer Flasche seine Saugmuskulatur richtig gebrauchen und trainieren kann.
Aber Brüste und Brustwarzen gibt es in sehr unterschiedlichen Formen, auch Zunge, Mundraum und Saugkraft der Babys unterscheiden sich oft deutlich und dann spielt es noch eine Rolle welche Nahrung mit welcher Temperatur gefüttert wird.
Darum gibt es nicht DEN einen optimalen oder besten Sauger für Alle, sondern unterschiedliche Saugertypen und oft müssen zunächst verschiedene Produkte ausprobiert werden, bis der Sauger gefunden ist, mit dem ein Baby ruhig und ohne sich zu verschlucken aus der Flasche trinkt.
Auch als besonders „innovativ“ beworbene, sogenannte „Muttermilchsauger“ von bekannten Milchpumpenherstellern, mit denen das Stillbaby aus der Flasche genauso „auf natürliche Weise“ trinken können soll wie an der Brust, sind der Brust nicht wirklich ähnlich, verursachen des Öfteren Probleme beim Trinken und können durchaus das Stillen stören, und werden daher von den meisten Stillexpertinnen nicht empfohlen.
Wenn ich um eine Empfehlung für einen Sauger gebeten werde, empfehle ich aktuell am liebsten den Natural Wave-Sauger* von Lansinoh.
Letztlich kommt es jedoch darauf an, mit welchem Sauger DEIN Baby am besten aus einer Flasche trinken kann.
Wie nach den ersten Wochen das Füttern von abgepumpter Muttermilch durch den Papa organisiert werden kann, habe ich in dem Beitrag „Ohne Stillbaby abends weg, wie kann das gehen“ ausführlich erklärt.
Nahrung oder Sicherheit?
Ich möchte aber noch kurz etwas zum Thema Bindungsaufbau sagen.
Alle Eltern möchten, dass sich zwischen ihnen und ihren Kindern eine gute Eltern-Kind-Bindung entwickelt. Das ist ganz normal und soll auch so sein.
Stillen oder Füttern des Babys ist aber nicht der einzige und auch nicht der wichtigste Weg, um die Bindung mit einem Kind aufzubauen.
Der amerikanische Psychologe und Verhaltensforscher Harry Harlow zeigte in den 1950er Jahren durch Experimente mit Rhesusaffen-Babys, dass für den Jungentypus Tragling (zu dem auch unsere Babys gehören) Körperkontakt und Sicherheit viel wichtiger ist.
Harlow zog Rhesusäffchen ohne Mutter in Käfigen auf und ließ sie zwischen zwei Mutter-Attrappen wählen: einer aus Draht nachgebildeten, Milch spendenden „Ersatzmutter“ und einer mit Stoff bespannten „Ersatzmutter“, die aber keine Milch gab.
Es stellte sich heraus, dass die Affenbabys nur bei Hunger die „Milch-Mutter“ für kurze Zeiten zum Trinken aufsuchten und tranken und sich in der restlichen Zeit (bis zu 22 Stunden am Tag) an die „Stoff-Mutter“ kuschelten.
Hier ist ein kurzes Video dieses Experiments:
Worauf ich hinaus will ist, dass liebevolle und engagierte Väter ALLES – bis auf Stillen – mit ihrem Tragling-Baby machen können, um eine wunderbare Vater-Kind-Bindung aufzubauen.
Hier sind ein paar Beispiele für Möglichkeiten, die Papas auch bei ausschließlich gestillten Babys haben: Tragen, Kuscheln (mit Hautkontakt) nach den Stillmahlzeiten, Cosleeping, Trösten, Massieren, Wickeln, mit dem Baby spazieren gehen, gemeinsames Baden usw.
Für den Aufbau einer guten Vater-Kind-Bindung ist daher die Anschaffung und der regelmäßige Einsatz eines guten Tragesacks oder Tragetuchs und das Einrichten eines Familienbetts die weitaus bessere und einfachere Option als das regelmäßige Füttern von Flaschen mit abgepumpter Muttermilch durch den Papa. Und die Gefahr einer Saugverwirrung gäbe es dabei auch nicht.
Sprich doch einmal mit Deinem Partner darüber und überlegt gemeinsam, wie er von Anfang an eine innige Beziehung mit Eurem Baby führen kann.
Autorin: Regine Gresens IBCLC, April 2020
Foto: Suzanne Shahar
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