Bereits 15 Mal geteilt!
Ein spätes Frühgeborenes ist ein Baby, das zwischen dem Beginn der 34. und dem Ende der 37. Schwangerschaftswoche geboren wurde.
Auch wenn es von seinem Geburtsgewicht und seiner Größe wie ein termingerecht geborenes Neugeborenes aussieht, ist es ein paar Wochen zu früh geboren. Sein Gehirn und seine Körperfunktionen ähneln jedoch mehr denen eines kleinen Frühgeborenen und müssen erst noch reifen. Es wird daher noch für eine Weile extra Unterstützung und Beobachtung von Dir benötigen.
Muttermilch ist die optimale Nahrung für Dein Baby, sie schützt es vor Infektionen und fördert seine Gehirnentwicklung.
Beim Stillen eines späten Frühgeborenen kann es jedoch in der ersten Zeit einige Schwierigkeiten geben. Viele dieser Babys sind zu schläfrig, um zu trinken oder werden beim Stillen müde, bevor sie genug getrunken haben.
Durch eine gute Betreuung Deiner Hebamme, eine engmaschige Überwachung und präventive Maßnahmen zur Vermeidung von häufigen Problemen kannst Du Dein Baby dennoch erfolgreich stillen.
Verfolge von Anfang an zwei wichtige Ziele:
1) frühzeitig eine gute Milchproduktion aufzubauen und
2) für eine angemessene Trinkmenge und eine gute Gewichtszunahme des Babys zu sorgen.
Es ist wichtig, in den ersten 8 – 10 Tagen nach der Geburt die Milchproduktion so gut anzuregen, dass Du am Ende der zweiten Woche etwa 750 ml Muttermilch in 24 Stunden produzierst. Das ist weit mehr als Dein Baby zu dieser Zeit trinkt. Aber nur, wenn Du von Anfang an so viel Milch hast, wird Deine Milchmenge auch auf lange Sicht für Dein Baby reichen.
Frier die überschüssige Milch in für den Gefrierschrank geeigneten, mit Datum und Uhrzeit beschrifteten Behältern ein.
Wenn Dein Baby noch nicht lange oder kräftig genug an Deinen Brüsten saugen kann oder vorübergehend von Dir getrennt ist, solltest Du frühzeitig, d.h. innerhalb von 6 Stunden nach der Geburt, damit beginnen, Deine Brüste von Hand zu entleeren.
Entleere die erste Milch („Vormilch“, Kolostrum) in den ersten drei Tagen so oft wie möglich. Dies geht gut mit der Hand. Die Milch kann direkt auf einen Löffel oder mit einer Spritze aufgezogen werden und damit dem Baby gefüttert werden.
Sobald Deine Milchmenge ansteigt und Du den Milcheinschuss hast, solltest Du mit Hilfe einer elektrischen Klinikmilchpumpe und Doppelpumpzubehör abpumpen. Pumpe in 24 Stunden 8-mal für 15 Minuten. Während Du pumpst, massiere Deine Brüste sanft und drücke die Brust leicht zwischen Daumen und Fingern. Versuche so, alle Bereiche der Brüste gut zu entleeren.
Wenn die Milch beim Pumpen nicht mehr aus der Brust spritzt, schalte die Pumpe aus, massiere Deine Brüste für 1 – 2 Minuten und pumpe dann erneut oder entleere noch so viel Milch wie möglich per Hand.
Wenn Dein Baby körperlich stabil ist, lege es möglichst innerhalb von einer Stunde nach seiner Geburt zum ersten Mal an die Brust. In den nächsten 3 – 4 Stunden lege es etwa stündlich an, und von da an etwa alle 2 – 3 Stunden, d.h. 8 – 12-mal in 24 Stunden.
Verlass Dich nicht darauf, dass Dein Baby sich von selbst meldet, wenn es hungrig ist. Sein Schlafbedürfnis ist vielleicht größer als sein Hunger.
Bleib in seiner Nähe und leg es an die Brust, wenn es frühe Feinzeichen für Hunger zeigt, z.B.:
● Saug- und Leckbewegungen mit Mund und Zunge
● schnelle Augenbewegungen unter den geschlossenen Augenlidern
● Handbewegungen zum Mund
● kleine Geräusche (Schreien ist ein spätes Hungersignal!)
● Körperbewegungen.
Vielleicht musst Du Dein Baby auch fürs Stillen noch etwas mehr aufwecken, indem Du es ausziehst, seine Windel wechselst und ihm den Rücken oder die Füße massierst, damit es wach genug wird.
Zum Stillen nimm eine bequeme Position ein, stütze Dich und das Kind mit Kissen. Leg Dein Baby im Rücken- oder im Frühchengriff an. Achte darauf, dass seine Brust- und Halswirbelsäule nicht zu sehr gebeugt ist und seine Atmung eingeschränkt wird.
Hat Dein Baby dabei Probleme, den Mund weit zu öffnen und viel Brust zu erfassen oder hast Du Schmerzen beim Anlegen?
Dann kannst Du Dich auch bequem mit Kissen gestützt nicht ganz flach auf den Rücken legen und das Baby bäuchlings auf Deinen Bauch, so dass es die Brust gut erreichen kann.
Während es an der Brust trinkt, solltest Du sein Schlucken etwa nach jedem 1. – 3. Saugen als „k“-Laut hören und fühlen. Schluckt Dein Baby seltener oder hört es auf zu saugen, dann massiere und komprimiere jedes Mal Deine Brust sanft zwischen Daumen und Fingern. Das regt es wieder zum Saugen an und es erhält insgesamt mehr Milch.
Wenn Dein Baby genügend Muttermilch bekommt, hat es ab dem 4. Lebenstag mindestens sechs nasse bzw. schwere (Einmal-)Windeln und vier ansehnliche Muttermilchstühle pro Tag, es nimmt mehr als 20 g pro Tag zu und ist nach etwa 20 – 30 Minuten Stillen erst einmal zufrieden.
Findest Du diesen Beitrag hilfreich? Dann pinne ihn in die Welt hinaus!
Nimmt Dein Baby nicht ausreichend zu, solltest Du nach dem Stillen abpumpen und ihm die abgepumpte Muttermilch zufüttern.
Wenn Deine eigene Milch nicht ausreicht, kann es auch vorübergehend nötig sein, Flaschennahrung zuzufüttern, damit Dein Baby die Nahrungsmenge bekommt, die es braucht und Du gleichzeitig Deine Milchproduktion steigern kannst.
Falls eine Zufütterung erforderlich ist, füttere möglichst an der Brust zu, z.B. mit einer Sonde oder einem Brusternährungsset. Du kannst auch mit einem Löffel, Becher oder Fingerfeeder zufüttern. Füttern mit der Flasche oder Saugen an Beruhigungsschnullern könnten aber eine vorhandene Saugschwäche Deines Babys noch verstärken und sind daher nicht zu empfehlen.
Bis Du sicher bist, dass Dein Baby gut gedeiht, sollte es einmal täglich nur mit einer Windel bekleidet gewogen und ein Protokoll über seine Stillzeiten, Ausscheidungen, Pump- und Zufütterungsmengen geführt werden.
Verbringt in den nächsten Wochen so viel Zeit wie möglich im direkten Haut-Haut-Kontakt miteinander. Zieh Dein Baby bis auf die Windel aus und leg Dir das nackte Baby bäuchlings auf Deinen nackten Oberkörper, decke Dich und das Baby so zu, dass Euch beiden nicht kalt wird, und „kängu-ruhe“ es. So liegt Dein Baby nah bei Deinen Brüsten, riecht die Muttermilch und kann mit etwas Hilfe von Dir sogar besser selbst Deine Brustwarze finden und daran saugen.
Powerpumpe auch zu späteren Zeiten, um Deine Milchproduktion zu steigern! Pumpe 1 – 2x täglich doppelseitig etwa eine Stunde lang abwechselnd für ca. 5 – 10 Minuten oder bis die Milch nicht mehr aus den Brüsten spritzt, mache dann etwa 10 Minuten Pause, pumpe erneut doppelseitig für ca. 5 – 10 Minuten, mache wieder 10 Minuten Pause usw.
Die ersten Wochen nach der Geburt können sehr anstrengend sein, organisiere Dir so viel Hilfe und Entlastung wie möglich im Haushalt und mit älteren Geschwisterkindern. Iss gut, trinke reichlich, ruh Dich aus und schlafe, so oft wie möglich, wenn Dein Baby schläft.
Denke daran, Deine Muttermilch ist für Dein Baby ganz besonders wichtig und nur Du kannst es stillen.
Es lohnt sich für Dein Baby, für Dich und für Deine ganze Familie!
Autorin: Regine Gresens, IBCLC, 2012
Foto: Jim B L via photopin cc
Original: „Informationen für Mütter von späten Frühgeborenen“ in Praxisbuch – Besondere Stillsituationen von Deutscher Hebammenverband (Hrsg.), S. 80 – 81
In dem Video-Online-Kurs „Gut Anlegen“ bekommst Du ausführliche Tipps und hilfreiche Infos zum Anlegen in unterschiedlichen Positionen.
Fürs Liken, Teilen und Pinnen sage ich herzlich Danke!
Als Hebamme betreue ich gerade eine Familie mit zu frühgeborenem Mädchen (SSW 34+0). Bekommt Muttermilch (überwiegend gestillt) und 1-2 x tgl. etwas Pre-Nahrung/abgepumpte Muttermilch PLUS (laut Kinderarzt und Kinderklinik dringend erforderlich bis zum Gewicht von 3500g) FMS von Aptamil . Dies ist nun zur Zeit nicht lieferbar! Daraufhin dringende Empfehlung des Arztes komplett abzustillen und auf PRE umzustellen!!! Ist das eine begründete Empfehlung?
Ich bin fassungslos…..
Wo finde ich detailiierte Daten und Empfehlungen zu diesem Thema?
Hallo Petra,
da bin ich auch erst einmal fassungslos und habe aber leider auch aktuell keine Daten und Empfehlungen dazu zur Hand, sondern müsste selbst danach recherchieren. Auf welchen unabhängigen Studien diese Empfehlung basiert, würde mich auch sehr interessieren…
Warum denn nicht zuallererst den Kinderarzt und/oder die Kinderklinik nach der wissenschaftlichen Begründung für diese Empfehlung befragen? Denn die sollte er doch haben, wenn er so ein rigoroses Vorgehen, wie komplett Abzustillen und auf künstliche Säuglingsnahrung umzustellen, empfiehlt.
Liebe Grüße, Regine Gresens
Guten Morgen, Petra,
Du hast recht, das stimmt so gar nicht. Es gibt detaillierte Daten und Empfehlungen zu diesem Thema: die WHO hat gerade in Herbst 2022 die neuen Empfehlungen für Frühgeborene und Kinder mit geringem Geburtsgewicht publiziert. Daraus geht hervor, dass zu früh Geborene so viel wie möglich nur mit Muttermilch ernährt werden sollten, eventuell mit Ergänzungen von Eisen, Vitamin D, Zink und Vitamin A (wenn die Kinder vor der 32. SSW geboren sind). Hier ist die Empfehlung (leider nur auf English):
WHO Recommendations for care of the preterm or low-birth-weight infant.
Es wird für Kinder, die nach einer Schwangerschaftsdauer von 32 Wochen geboren sind (oder mehr wiegen als 1500 gr) gar keine Prenahrung empfohlen. Wenn es aber das Wachstum notwendig macht (das Kind wächst nicht gut), dann kann normale Prenahrung gegeben werden. Die 3.500 gr. ist völlig aus der Luft gegriffen. Ich hoffe, dass diese Unterlagen dem Klinik/dem Kinderarzt gegeben werden können.
Elien Rouw, niederländische Ärztin,
Academy of Breastfeeding Medicine
Liebe Elien,
vielen Dank für diese kompetente Antwort und auch für den Link zu dem Dokument der WHO.
Die Ausführungen der WHO zur Anreicherung von Frauenmilch beginnen dort ab Seite 23 und die zu Pre-Nahrung für Frühchen ab Seite 27.
Herzliche Grüße,
Regine Gresens
Unsere große Tochter kam Ende der 37sten/Anfang der 38sten Woche zur Welt. Geplant war 5/7.1. Geboren habe ich sie 24.12. Durch Zufall las ich Jahre später einen Artikel über späte Frühchen und konnte von den Merkmalen nur die Neigung zur Gelbsucht streichen, alle anderen konnte ich bejahen. Ich wäre froh über diese Infos und ein Situationsgerechteren Umgang gerade in Bezug auf das Stillen gewesen. Dabei hatte ich ein stillfreundliches, Kind zugewandtes Krankenhaus gewählt.
Auch zwei Wochen zu früh sind 2 Wochen zu früh. Da sollten Hebammen und Krankenschwestern drauf eingehen und das angesichts der Extremfrühchen nicht klein und nichtig reden bzw sich entsprechen sensibilisieren.
Das sind alles gute und wertvolle Tipps, wenn man denn gelassen wird… In Krankenhäusern, deren Geburts- und Frühchen-Stationen total überfüllt sind, wird es einem nicht immer leicht gemacht.
Mein Sohn wurde Anfang Juni 6 Wochen zu früh geboren. Mit 46 cm und 2470 g war er aber ganz gut dabei, er konnte auch von Anfang an selbstständig atmen und trinken. Trotzdem hatte ich ihn nach der Geburt nur wenige Sekunden bei mir (und ich hatte auch noch ein T-Shirt an). Ich konnte ihn erst Stunden später auf der Frühchen-Station besuchen und das Kängu-ruhen fand erst einen Tag später statt. Und auch nur einmal. Sonst hieß es bei den Versorgungszeiten nach einer Stunde: Jetzt müssen Sie Ihr Kind aber wieder zurücklegen.
Ich habe auch regelmäßig abgepumpt und meine Milch im KH abgeliefert, trotzdem wurde uns ständig Fertigmilch in die Hand gedrückt. Mein Mann und ich mussten darauf bestehen, meine Muttermilch zum Füttern zu bekommen. Und dann jedes Mal auch mit dem Spruch: Ja, das ist ja auch viel besser fürs Kind. :/
Auf meine Bitte hin, durfte ich auch mal versuchen, meinen Sohn anzulegen, was nach anfänglichen Schwierigkeiten dann mit einem Stillhütchen auch geklappt hat. Meine Freude währte allerdings nicht lange, da mir von weiteren Versuche abgeraten wurde. Mein Sohn nahm nicht zu und beim Stillen könne man die Trinkmenge nicht kontrollieren. An sich kann ich das nachvollziehen, jedoch nahm er Zuhause, als wir nur noch gestillt haben, schnell und kräftig zu.
Ich kann allen Müttern, die in der gleichen Situation sind, nur raten: Wenn ihr abpumpt, besteht immer darauf, dass euer Kind eure Milch bekommt. Füttert, wenn möglich, immer selbst und nervt notfalls die Schwestern, damit sie euch euer Kind anlegen lassen.
Auch wenn ein Kind anfangs nur Fläschchen bekommt, kann das Stillen später trotzdem klappen. Wir stillen voll, momentan zwar immer noch mit Stillhütchen, aber besser so als gar nicht. (Nächstes Ziel ist es dann, von den Stillhütchen wegzukommen, mal sehen, ob es klappt).
Ich wünsche allen Frühchen-Eltern alles Gute und starke Nerven!
Liebe Maggie,
ja, das ist leider kein Einzelfall. Aber super, dass du und auch dein Mann EURE Interessen angemeldet habt.
Und ja, mit Stillhütchen zu stillen, ist immer noch besser als gar nicht zu stillen.
Hier sind ein paar Tipps, um die Stillhütchen wieder abzugewöhnen: Wie das Stillhütchen wieder abgewöhnen?.
Alles Gute für euch und liebe Grüße,
Regine Gresens
Schade, dass du so schlechte Erfahrungen auf der Frühchenstation gemacht hast. Mein Sohn kam auch 6 Wochen zu früh und meine Tochter vor 3 Wochen sogar 8 Wochen zu früh. Bei beiden Kindern wurde direkt die Ersatznahrung abbestellt, als ich genug Milch hatte und die Schwestern haben nie was gegen kuscheln oder anlegen gesagt. Eher im Gegenteil. Und um die trinkmenge beim stillen zu kontrollieren wurden die Kinder einfach vorher und nachher gewogen