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Von Yvonne |
Gerne möchte ich vom Stillen meines zweiten Kindes berichten. Ich möchte andere Frauen ermutigen und unterstützen, bei Stillschwierigkeiten und besonders bei Schmerzen nicht aufzugeben, sich kompetente Unterstützung zu suchen und hartnäckig nach der Ursache der Probleme zu suchen.
Stillen darf nicht wehtun und kein medizinisch gesundes Kind ist zu blöd, zu ungeduldig oder gar zu ungeschickt für das Trinken an der Brust. Es gibt immer eine Ursache, die die Probleme verursacht. Diese zu identifizieren – das ist die Kunst und erfordert Geduld sowie ein unterstützendes Umfeld.
Im Oktober 2019 brachte ich meinen zweiten Sohn (Spontangeburt) zur Welt. Das Baby war, wie auch mein älterer Sohn, groß und kräftig (Gewicht 3850 g, 36 cm Kopfumfang, Länge 52 cm). Das Stillen begannen wir mit dem ersten Anlegen direkt im Kreißsaal. Er begann zu saugen und trank an beiden Brüsten.
Ich hatte bereits meinen ersten Sohn, der jetzt drei Jahre alt ist, 16 Monate gestillt, davon sechs Monate vollgestillt. Das ältere Kind war ebenfalls ein sehr guter Trinker, der bereits zu Beginn sehr stark saugte und oft sehr ungeduldig an der Brust war. Er nahm sehr gut zu und genoss das Stillen.
Mein Neugeborenes verhielt sich ebenfalls anfangs sehr gierig und ungeduldig an der Brust. Er saugte sehr stark, daher musste ich beim Anlegen besonders sorgsam sein. Er benahm sich wie ein „Stillbarrakuda“. Sein Trinkverhalten ähnelte daher dem seines Bruders.
Bereits im Krankenhaus fand ich das Stillen sehr anstrengend und schmerzhaft, besonders beim Anlegen. Ich hatte wunde und gequetschte Brustwarzen. Das Baby machte immer schmatzende Geräusche beim Trinken.
Dies wurde bedingt durch ständigen Verlust des Saugvakuums. Das wusste ich zu dem Zeitpunkt aber nicht. Mir wurde gesagt, das sei eine schlechte Angewohnheit und ich sollte das Baby dann immer wieder abdocken, um ihm das „abzugewöhnen“.
Das Baby ließ die Brust oft los, war frustriert und unruhig. Es bildeten sich Saugbläschen an der Lippe. Das Baby spuckte viel. Außerdem fiel mir eine schalenförmig angehobene Zunge beim Schreien auf.
Da ich einen äußerst starken Milchspendereflex habe und sehr viel Milch bilde, nahm das Baby dennoch sehr gut zu. Im Krankenhaus wurde mir bestätigt, dass ich korrekt anlege. Die Problematik der eingeschränkten Mobilität der Zunge wurde leider nicht erkannt.
Im Wochenbett verbesserten sich die Probleme leider nicht. Das Baby wollte sehr häufig trinken (mindestens alle zwei Stunden am Tag), war aber gleichzeitig wenig ausdauernd an der Brust. Es traten infolge dessen zwei Brustentzündungen auf, da die Brüste nicht ausreichend entleert wurden.
Weiterhin hatte ich quasi ständig wunde Brustwarzen und daher starke Schmerzen beim Stillen. Dies lag daran, dass das Baby die Brust nur sehr nur schlecht erfassen konnte und sehr stark saugte, was zu einer großen Belastung der Brustwarzen führte.
Das andauernde Schmatzen deutete darauf hin, dass das Baby den Saugschluss nur unzureichend halten konnte. Er dockte auch sehr häufig an und wieder ab. Der sehr starke Milchspendereflex führte zu häufigem Verschlucken und großer Frustration beim Trinken.
Durch die schlechte Trinktechnik kam es zu einem Riss einer Brustwarze. Nur durch häufiges Wechseln der Stillposition war der Zustand erträglich. Ich stillte überwiegend in der Laid-back Position oder hielt das Baby im Rugbygriff und achtete besonders auf das asymmetrische Anlegen.
Der Zustand verschlimmerte sich mit zunehmender Milchmenge und Alter des Babys. Als mein Sohn ca. vier Wochen alt war, kam es immer häufiger abends zu einer Totalverweigerung des Stillens. Ich vermute, dass er schon erschöpft war von der Anstrengung des Trinkens über Tage. Gleichzeitig hatte er aber noch großen Hunger und schrie deshalb anhaltend. Der Versuch des Anlegens in verschiedensten Positionen wurde aber nur mit einem Wegbiegen von der Brust und noch mehr Schreien quittiert.
Erst nach einer (sehr langen) Beruhigungsphase, z.B. im Tragetuch, konnte ich ihn im Halbschlaf dann wieder anlegen. Er war dann aber häufig zu erschöpft, um die Brüste ausreichend zu entleeren. Oft spuckte das Baby einen großen Teil der Milch direkt nach dem Stillen wieder aus.
Ich hatte das Gefühl, dass das Baby im Mund- und Nackenbereich sehr verspannt war und sich deshalb beim Stillen wie durch Schmerzen häufig nach hinten weg bog. Ich beobachtete, dass er fast immer einen offenen Mund hatte und beim Schlafen schnarchte.
Ich konnte überhaupt nur deshalb so lange weiterstillen, da ich ein unglaublich unterstützendes Umfeld an meiner Seite hatte. Besonders mein Mann half uns hingebungsvoll. Geduldig war er wieder immer an meiner Seite, um das Baby beim Anlegen zu positionieren und abzustützen. Oft legte er mir und dem Baby beim Stillen beruhigend seine Hände auf den Rücken. Er trug den Zwerg viel im Tragetuch und wickelte in den ersten Wochen fast ausschließlich.
Die Großeltern reisten regelmäßig an und übernahmen die Betreuung des älteren Kindes und unterstützten beim Kochen und im Haushalt. So konnte ich mich in den ersten sehr schwierigen Wochen nur auf das Stillen und Heilen im Wochenbett konzentrieren.
Die zu Rate gezogenen AnsprechpartnerInnen, Hebamme und Kinderarzt, Dysphagiezentrum Kinderklinik, konnten uns nicht weiterhelfen.
Ein Dysphagiezentrum bietet Diagnostik und Therapie für Kinder mit Fütter- und Schluckstörungen (Dysphagie) sowie Entwöhnung von der Nahrungssonde.
~ R. Gresens
Wir waren, trotz der vorherigen Stillerfahrung und der mehr als ausreichenden Milchmenge kurz davor, das Stillen aufzugeben.
Erst die hinzugezogene Stillberaterin diagnostizierte eine posteriore Ankyloglossie sowie ein verkürztes Lippenbändchen. Wir entschieden uns für eine Durchtrennung der verkürzten Bändchen.
Bei einer posterioren Ankyloglossie ist das Zungenbändchen so straff/kurz oder dick, dass die Zunge in der Mitte und im hinteren Bereich nicht angehoben werden kann. ~ R. Gresens
Der Eingriff der Durchtrennung, die sog. Frenotomie, wurde in einer spezialisierten Zahnarztpraxis durchgeführt. Die Durchtrennung erfolgte mit einer chirurgischen Schere, ohne Betäubung. Die Wunde wurde direkt mit gefrorener Muttermilch gekühlt. Im Anschluss konnte ich das Baby sofort stillen. Das Baby war im Verlauf des Behandlungstages unauffällig und schien keine Schmerzen zu haben.
Ich merkte direkt beim ersten Stillen nach dem Eingriff, dass das Baby den Mund weiter öffnen konnte. Die behandelnde Ärztin führte dies auf die Durchtrennung des Lippenbandes zurück.
Die weitere Therapie sieht ein aktives Wundmanagement des durchtrennten Zungenbandes vor. Ziel ist es, dass die Wunde so verheilt, dass die volle Beweglichkeit erhalten bleibt. Weiterhin werden Übungen zur Gesichtsmassage und Förderung der Beweglichkeit der Babyzunge durchgeführt. Die Dehnübung wurde mindestens viermal pro Tag im Abstand von je sechs Stunden bzw. vor/nach jedem Stillen ausgeführt. Wir kamen damit gut zurecht, die Übung ging schnell und war einfach durchzuführen.
Solche Dehnübungen nach dem Durchtrennen eines verkürzten Zungenbändchens werden nicht von allen Fachleuten empfohlen. ~ R. Gresens
Das Baby muss eine neue Trinktechnik mit der nun beweglichen Zunge erlernen. Dieser Prozess dauerte bei uns tatsächlich mehrere Wochen. Ich stellte aber eine stetige Verbesserung der Symptome fest. Die wunden Brustwarzen verschwanden innerhalb einer guten Woche vollständig. Die Erschöpfung des Babys beim Stillen und die mutmaßlich vorhandenen Verspannungen verschwanden aber nur sehr langsam. Die Nachbehandlung dieser Symptome wurde durch eine Osteopathin unterstützt.
Wir stellten weiterhin fest, dass das Anbieten eines Schnullers das Stillverhalten des Babys sehr negativ beeinflusste. Wir verpassten durch die Gabe des Schnullers einerseits den optimalen Fütterungszeitpunkt. Darüber hinaus hatte ich das Gefühl, dass das Baby durch das Schnullern bereits erschöpft war und dann keine Kraft mehr für das Trinken an der Brust hatte.
So ließen wir für einige Wochen den Schnuller fast komplett weg und boten ihn lediglich kurz als Einschlafhilfe nach dem Stillen an.
Als letztes Symptom ließ nach ca. drei bis vier Wochen das schmatzende Geräusch beim Stillen nach. Ich merkte auch beim Fingernuckeln, wie sich das Halten des Saugvakuums Stück für Stück verbesserte. Das Baby konnte die Brust immer besser erfassen.
Lediglich bei sehr vollen Brüsten, die dann einen sehr starken Milchspendereflex aufweisen, schmatzt das Baby weiterhin. Dies ist allerdings nicht mehr mit Schmerzen an der Brust verbunden. Wir stillen nun in jeder Position schmerzfrei und mit Freude. Das Baby wird nun schmerzfrei vollgestillt und entwickelt sich sehr gut.
Das Stillen war und ist mir eine Herzensangelegenheit. Als wir am Anfang so große Schwierigkeiten hatten, hat es mich unendlich traurig gemacht. Jetzt aber, immer wenn der kleine Zwerg selig beim Trinken einschläft und dabei mit seinem Händchen meinen Finger festhält – was gibt es schöneres?
Yvonne
Originalbericht einer Mutter, Januar 2020
Foto: Yvonne
Liebe Yvonne,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht.
Ein verkürztes, hinteres Zungenbändchen, so wie bei Deinem Baby, wird leider sehr oft auch von Fachleuten nicht erkannt und dann eben auch nicht richtig behandelt, so dass sich die daraus resultierenden Stillprobleme auch nicht auflösen können und wahrscheinlich sehr oft aus Verzweiflung abgestillt wird.
Auch ich kann nur wärmstens empfehlen, sich bei Stillschwierigkeiten kompetente Unterstützung zu holen und weiter nach der Ursache der Probleme zu suchen.
Darum noch einmal vielen Dank dafür! Ich hoffe, dass Du das Stillen nun noch recht lange weiter genießen kannst.
Herzliche Grüße, R. Gresens
Hast Du selbst eine schwierige Situation mit Deinem Baby erfolgreich bewältigt?
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Hallo, Danke für diesen tollen Bericht, er könnte von mir sein. Auch mein Sohn (*09/2019) hätte ein verkürztes Zungenbändchen und Lippenbändchen. Die Kinderärztin hat, da er auch so unsagbar viel geschrien hat, direkt zu Zufüttern geraten, da war er ca. 6 Wochen alt. Zum Glück bin ich dann zur Stillberatung, die hat das Problem innerhalb weniger Minuten erkannt. Aber dann hat es nochmal einige Wochen gedauert, bis wir einen Termin bei einem spezialisierten Zahnarzt bekommen haben. Mit knapp 12 Wochen war es dann soweit. Seitdem ist alles besser geworden. Hätten die Ärzte und Schwestern im Krankenhaus aufmerksamer auf die Probleme geschaut, statt sie abzutun, hätte die Kinderärztin umsichtiger gehandelt, wäre die Nachsorgehebamme besser geschult gewesen, es hätte uns viele Wochen Schmerzen und Unzufriedenheit erspart. Traurig, dass das „Fach“personal so schlecht bzgl. dieses Themas informiert ist!!!