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Ich wünschte, es wäre in einem hochentwickelten Industrieland wie Deutschland nicht nötig Jahr für Jahr an die Weltstillwoche (WSW) zu erinnern, um auch hierzulande das Stillen zu fördern.
Im Jahr 2020 lautet das Motto der internationalen WSW: „Stillen unterstützen für einen gesünderen Planeten„.
(In Deutschland läuft die WSW 2020 in der 40. KW vom 28.09. – 04.10. unter dem Motto „Natur lässt sich nicht kopieren“ und in Österreich vom 01. – 07.10. unter dem Motto „Kinder stillen – für Mutter Erde“.)
Nun – wohl kaum eine Mutter wird sich entscheiden zu stillen, nur weil Muttermilch die umweltfreundlichste und nachhaltigste Ernährung ihres Babys ist.
Die meisten Mütter möchten aus wesentlich nahe liegenderen Gründen stillen. Sie wünschen sich eine schöne Stillzeit und eine innige Stillbeziehung, und möchten, dass ihr Baby möglichst lange die gesunde Muttermilch bekommt.
Denn Muttermilch enthält alle für das Wachstum und die gesunde Entwicklung des Babys nötigen Nährstoffe in der individuell richtigen Zusammensetzung.
Sie reduziert Krankheiten und Allergien, ist wohlschmeckend, immer richtig temperiert, äußerst kostengünstig in der Herstellung und absolut umweltfreundlich.
Seit dem Bestehen der Menschheit, seit nunmehr etwa 160.000 Jahren, produzieren stillende Mütter bereits dieses Superprodukt und sichern damit das Überleben ihres Nachwuchses.
Die Erfolgsstory der Muttermilch begann jedoch bereits vor etwa 200 Millionen Jahren, als die ersten Säugetiere die Erde besiedelten.
Trotz dieser Jahrmillionen langen Erfolgsgeschichte benötigen wir heute leider noch immer die Weltstillwoche und diverse andere Programme, um das Stillen zu fördern.
Auch die ständig wachsende Zahl wissenschaftlicher Belege über die Bedeutung des Stillens für die Gesundheit und Entwicklung des Kindes, die Gesundheit der Mutter und für die gesamte Gesellschaft zeigt keine Wirkung.
Denn an der Zahl der gestillten Babys hat sich hierzulande in den letzten zwei Jahrzehnten kaum etwas geändert. Die Stilldauer ist seit dem Geburtsjahr 2000/2001 sogar eher kürzer geworden. Laut Robert Koch-Institut lag die durchschnittliche Stilldauer in den Jahren 2009-2012 in Deutschland bei 7,5 Monaten.
Obwohl die meisten Schwangeren in Deutschland heute stillen möchten, wurden Anfang 2018 laut der nicht repräsentativen Studie SUSE II – nur etwa 71,7 Prozent der Säuglinge im Alter von zwei Wochen ausschließlich gestillt.
Mit zwei Monaten erhielten nur noch 67,4 Prozent der Babys ausschließlich Muttermilch und 10,5 Prozent der Babys waren bereits abgestillt.
Nur 55,8 Prozent der Kinder wurden mindestens vier Monate ausschließlich gestillt.
Im Alter von 6 Monaten wurden nur noch 8,3 Prozent aller Kinder ausschließlich gestillt und 87,1 Prozent erhielten Beikost. Mit 12 Monaten bekamen 41,1 Prozent der Kinder neben Beikost noch die Brust.
Wie kommt es zu dem raschen Abfall der Stillraten?
Ich meine, es liegt vor allem daran, dass Schmerzen beim Stillen zu oft als normal angesehen werden.
So treten bei bis zu 96 Prozent der stillenden Mütter zum Beginn der Stillzeit schmerzende, wunde Brustwarzen auf.
Etwa ein Drittel dieser Mütter stillt in den ersten sechs Wochen vorzeitig ab. Schmerzende, wunde Brustwarzen sind der häufigste Grund für vorzeitiges Abstillen in den ersten 14 Tagen.
Weil Schmerzen so oft vorkommen, werden sie in der Bevölkerung, aber auch bei vielen Fachleuten als „normal“ angesehen. Daher werden Schmerzen leider allzu oft nicht als Symptom für eine potentielle Schädigung ernst genommen.
Schmerzen sind aber immer ein Hinweis auf einen den Körper schädigenden Reiz, den es zu beseitigen gilt.
Wären Schmerzen wirklich so normal, gäbe es auf diesem Planeten keine Menschen und mit Sicherheit keine Säugetiere mehr. Denn Säugetiermütter würden ihre Jungen niemals an ihren schmerzenden Zitzen saugen lassen.
Dies lassen nur menschliche Mütter zu, weil sie einerseits so gerne stillen und ihrem Baby die gute Muttermilch geben möchten und ihnen andererseits vermittelt wird, dass Schmerzen dabei normal seien und mit der Zeit vergehen.
Das Säugen der Nachkommen ist jedoch für die Arterhaltung bei Säugetieren überlebenswichtig.
Aus diesem Grund hat die Natur es so eingerichtet, dass Säugen und Stillen, wie alle für die Fortpflanzung erforderlichen Aktivitäten, mit der Ausschüttung der Liebes- und Mütterlichkeitshormone Oxytocin und Prolaktin einhergehen.
Diese führen zu angenehmen, wohligen und liebevollen Gefühlen und Verhaltensweisen, die gerne wiederholt und lange beibehalten werden.
Ich wünschte, Mütter müssten ihre Babys nicht mehr unter Tränen und mit zusammengebissenen Zähnen anlegen, sondern könnten das Stillen von Beginn an genießen.
Ich wünschte, Schmerzen beim Stillen würden von Anfang an ernst genommen und alle Mütter, mit schmerzenden oder wunden Brustwarzen, würden schnellstmöglich kompetente Hilfe zur Lösung der Probleme erhalten. Erhalten sie diese nicht, stillen viele vorzeitig ab und ich muss ganz ehrlich sagen, ich kann das auch keiner Mutter verdenken. Denn so sollte es nicht sein!
Ich wünschte, alle Mütter könnten so lange stillen, wie sie es ursprünglich vorhatten, wie es ihnen und ihrem Baby gut täte und wie es von der Natur vorgesehen ist.
Autorin: Regine Gresens, IBCLC, Oktober 2018, überarbeitet im September 2020
Foto: [blu:]skin martin zoul via photopin (license)
Literatur
Faktenblatt zu KiGGS Welle 1: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Erste Folgebefragung 2009 – 2012 vom Robert-Koch-Institut
Studie zur Erhebung von Daten zum Stillen und zur Säuglingsernährung in Deutschland – SuSe II von Prof. Dr. Mathilde Kersting et al.
Die Vorteile der Muttermilch von Prof. Dr. Michael Krawinkel
Dieser Beitrag ist eine leicht abgeänderte Fassung eines Artikels, den ich in der Deutschen Hebammen Zeitschrift 10/2012, S. 1 veröffentlicht habe.
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Hallo Alexandra,
Mein Sohn wird Ende des Monats 2 Jahre alt und wir genießen das Stillen nach wie vor. 🙂
Ich arbeite mittlerweile wieder Vollzeit und er geht auch schon in die KiTa. Aber am Nachmittag, wenn ich wieder heim komme, entspannen wir uns beide beim Stillen und Kuscheln.
Liebe Grüße
Agata
Hi,
ich bin 45J und mein Sohn 22 Monate.
Gerne lese ich die neuen Posts von Ihnen.
Auch ich stille noch immer – und noch ist für uns kein Ende in Sicht…
… auch wenn sein Vater, der alle 2 Wochen mal ein paar Stunden kommt, die sonst sehr gute Kinderärztin und so fast alle aus meiner Umgebung mich mit Worten oder Blicken fragen, wozu das denn gut sein soll und ob das nicht eher schlecht für meinen Sohn ist…
…aber ab und an verrät auch eine Mutter mit gleichaltrigem Kind, daß sie auch noch stillt 😉
Ich genieße die Zeit zu Zweit – es ist schon etwas Besonderes und Beruhigendes 😉
LG,
Alexandra
Liebe Alexandra,
seien Sie versichert, es gibt wahrscheinlich weit mehr gleichaltrige Kinder, die noch gestillt werden, als es den Anschein hat. Nur geschieht es eben nicht immer so öffentlich, dass jeder es mitbekommt.
Und genießen Sie diese besondere Beziehung, so lange es sich für Sie und Ihr Kind gut und richtig anfühlt. 🙂
Herzliche Grüße,
Regine Gresens