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Autorin: Dr. Gill Rapley |
Eltern (und Großeltern) machen sich oft Sorgen, weil ihr Baby nicht ‚gut isst‘ und ihnen, besonders wenn es älter wird, häufig gesagt wird, dass es bis zum ersten Geburtstag voll am Familientisch essen sollte.
Aber ist ‚nicht gut zu essen‘ tatsächlich ein Problem für das Baby?
Was ist normal?
BLW-Babys (BLW = Baby-led Weaning) folgen ihrem eigenen Muster, wenn sie mit fester Nahrung starten.
Beispielsweise kann dein Baby:
- begeistert loslegen, auf allem herumlutschen, was es zu fassen bekommt, nach und nach immer mehr davon schlucken und sich nie mehr umschauen. (Wahrscheinlich das seltenste Muster.)
- langsam, aber kontinuierlich vorangehen durch Anschauen, Experimentieren, Lecken und Schmecken, und dann Essen, mit allmählich ansteigenden Mengen.
- über Wochen oder Monate fast nichts essen (dabei aber eifrig am Anfassen und Schmecken sein oder auch nicht) und dann plötzlich Begeisterung für das Essen zeigen.
- begeistert loslegen und dann anscheinend das Interesse am Essen wieder völlig verlieren.
Keines dieser Muster weist auf ein Problem hin. Die meisten BLW-Babys essen bis zum Alter von acht oder neun Monaten keine signifikanten Mengen fester Nahrung. Und manche nicht bis nach ihrem ersten Geburtstag.
Diejenigen, die enthusiastisch loslegen und dann das Interesse verlieren, begeistern sich einfach stärker für die Neuartigkeit von Nahrungsmitteln als jene, die langsamer starten. Wenn diese abklingt, machen sie für einige Zeit langsamer weiter.
[Beachte jedoch: Wenn ein Baby im Alter von sechs bis acht Monaten kein Interesse zeigt, Nahrungsstücke oder irgendwelche anderen Dinge (wie z.B. Spielzeuge oder Schlüssel) aufzuheben und mit seinem Mund zu erforschen, liegt dem vielleicht eine Ursache zugrunde, z.B. eine Entwicklungsverzögerung. Daher sollte es in diesem Fall ärztlich untersucht werden.]
Ein normal entwickeltes, gesundes Baby, das anscheinend ‚nicht gut isst‘, isst wahrscheinlich einfach nur weniger als seine Eltern oder andere Personen denken, dass es essen sollte.
Im zweiten Lebenshalbjahr sind die einzigen Nährstoffe, die die meisten Babys zusätzlich zur Muttermilch beginnen zu brauchen, winzige Mengen an Eisen und Zink.
Wenige Schlecker oder Bissen (kein ganzer Mundvoll!) täglich von Nahrungsmitteln, die reich an diesen Mineralien sind, wie etwa Fleisch und Eier, ist nahezu sicher genug, um dies zu sichern.
Babys hungern nicht freiwillig – wenn sie hungrig sind, werden sie essen.
Das Problem ist, dass unsere Erwartungen, wie viel Babys essen sollten, in der Regel auf den Mengen basieren, die sie essen, wenn sie mit dem Löffel gefüttert werden. Aber …
- Löffelfütterung (durch einen Anderen) ist kein natürlicher Teil der Entwicklung von Babys. Es ist nur zur üblichen Methode des Fütterns geworden, als davon ausgegangen wurde, dass Babys feste Nahrung brauchen, bevor sie alt genug sind, um sich selber zu füttern.
- Löffelfütterung und Breie machen es Babys schwieriger ihrem Appetit zu folgen. Sie neigen dazu, die Happen schneller zu schlucken und essen infolgedessen mehr als sie wirklich benötigen.
- Breie enthalten sehr viel Flüssigkeit – daher kann es nach mehr Nahrung aussehen als es tatsächlich ist.
- Ein Baby zu drängen, bestimmte Nahrungsmittel zu essen oder mehr als es möchte, kann zu Problemen führen, wie zum Beispiel wählerischem Essverhalten oder Nahrungsverweigerung.
- Muttermilch (oder Flaschennahrung) kann lange bis nach dem ersten Geburtstag weiter den Großteil der Ernährung eines Babys sicherstellen (siehe Muttermilch oder feste Kost? Eine Abwägung der Fragen).
Wenn Du denkst, Dein Baby ist ein ‚schlechter Esser‘, besteht die Lösung nicht darin zu versuchen, das Verhalten des Babys zu verändern, sondern neu zu definieren, was Du denkst, was einen ‚guten Esser‘ ausmacht.
Ein guter Esser ist ein Baby, das:
- seinem eigenen Appetit folgt (essen, wenn es hungrig ist, aufhören, wenn es genug hat)
- so viel Muttermilch oder Flaschennahrung trinkt, wie es benötigt
- die Möglichkeit hat viele unterschiedliche Nahrungsmittel zu probieren, ohne irgendwelchen Druck
- sich die Nährstoffe, die es braucht, selber auswählt (aus einem gesunden Nahrungsangebot)
- ist daran interessiert, Nahrung zu erforschen und Selbstfütterungsfertigkeiten zu üben
- hat Vergnügen an Mahlzeiten.
Wenn Dein Baby all diese Dinge tut, ist es ein guter Esser – auch, wenn es in der Tat dabei nicht sehr viel herunterschluckt!
Was soll ich tun?
- Biete weiter die Brust oder die Flasche an, wann immer Dein Baby es verlangt. Milchmahlzeiten einzuschränken (wie Eltern manchmal angewiesen werden zu tun, in der Hoffnung, das Baby würde dann mehr feste Nahrung essen) würde eher eine geringere Nährstoffversorgung bedeuten, keine bessere (siehe Muttermilch oder feste Kost? Eine Abwägung der Fragen).
- Lass Dein Baby weiter an den Mahlzeiten teilnehmen, gib ihm so die Gelegenheit eine Reihe von gesunden Lebensmitteln zu erforschen und kennen zu lernen.
- Wenn Dein Baby älter als zehn Monate ist, gib ihm nicht mehr die Lebensmittel zurück, die es absichtlich auf den Boden geworfen hat – dies ist seine Art „Nein, danke“ zu sagen (siehe: Werfen, Tunken und Ablehnen von Speisen).
- Probiere ihm Nahrung in kleineren Stücken anzubieten, oder Besteck einzuführen. Manche Babys haben keine Lust mehr darauf wie Anfänger behandelt zu werden und möchten gerne fortgeschrittenere Fertigkeiten üben!
- Mache keinen großen Wirbel, wenn Dein Baby offenbar etwas nicht mag – fahre einfach fort ihm ein wenig von dem anzubieten, was Du selber isst. (Einige Babys meiden beharrlich bestimmte Nahrungsmittel und es stellt sich später heraus, dass sie dagegen allergisch sind. Es könnte also vernünftig sein, dem Baby zu vertrauen.)
- Vergiss nicht, dass es normal für ein Baby ist, das aus irgendeinem Grund beunruhigt ist (z.B. KiTa-Beginn) oder krank wird, für einige Zeit die feste Kost vollständig abzulehnen und mehr Milch zu wollen.
Bei Baby-led Weaning geht es darum, eine gute Beziehung zum Essen aufzubauen, nicht die Babys zu überzeugen so zu essen, wie wir denken, dass sie essen sollten.
Alle Babys steigen aus eigenem Antrieb in ihrem Tempo auf andere Nahrung um.
Als Elternteil musst Du nichts weiter tun, als Nahrung zugänglich machen – in Reichweite – und als Rollenmodell dienen, indem Du das Baby an Deinen eigenen Mahlzeiten teilhaben lässt.
Dein Baby wird sich um alles weitere kümmern.
Original: My baby isn’t a good eater von Dr. Gill Rapley, September 2017
Übersetzung: Regine Gresens, IBCLC, September 2018
Foto: So_long_lives_this Playing with it. via photopin (license)
Dazu noch ein passender Buchtipp: Mein Kind will nicht essen * von Dr. Carlos Gonzales.
Hier sind weitere Buchtipps und Linktipps zu Baby-led Weaning (BLW).
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Ich empfehle hier nur, was ich kenne und für gut und sinnvoll halte.
Wie sind Deine Erfahrungen mit Baby-led Weaning?
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Wir ertappen und immer wieder dabei die „Essentscheidungen“ unsere kleinen (9,5 Mon. )in Frage zu stellen. Da ist ein Text wie dieser Gold wert. Vielen Dank dafür! Wir bleiben am Ball. Liebe Grüße
Hm, ich habe hier eine schlechte Esserin, wir haben ganz freudig mit ca. 6 Monaten mit BLW angefangen, da sie Interesse hatte. Es wurde aber nie wirklich mehr Essen, als ein paar winzige Bissen. Ich habe mich sehr von Artikeln wie diesem beruhigen lassen, da es mein erstes Kind ist und ich keinen Vergleich hatte, wie es sein sollte. Mit 11 Monaten wurde dann eine schwere Eisenmangelanämie diagnostiziert, die jetzt behandelt wird. Es ist also nicht so, dass alles völlig okay ist, wenn ein Kind nicht isst, sondern das durchaus auch ein Symptom für etwas Schwerwiegendes sein kann (in unserem Fall ein Hb von 5,8), und man beim ersten Kind mangels Vergleich die durchaus vorhandenen anderen Symptome schlecht einschätzen kann.
Liebe Anja,
ja, meistens ist alles okay. Aber manchmal eben auch nicht.
Appetitlosigkeit kann auch Zeichen einer Eisenmangelanämie sein. Weitere Symptome wären Müdigkeit, schnelle Erschöpfung und Entwicklungsverzögerung.
Bei Unsicherheit und Sorge sollte daher immer eine Kontrolle beim Kinderarzt erfolgen.
Danke für Deinen Kommentar.
Alles Gute,
Regine Gresens
Bei uns hat es perfekt geklappt. Meine Tochter ist jetzt 3 Jahre alt und liebt alles an Gemüse und Obst. Süßkram ist zwar auch toll, aber bei der Chance auf Obst oder Gemüse wird jeder Keks und jedes Bonbon sofort vergessen.
ALLE haben gesagt, ich sei verrückt mit Langzeitstillen und BLW und Abhalten.
Aber komischerweise isst mein Kind super gerne, sehr sauber und hat kaum was, dass sie einfach nicht mag.
Sie ist schmal, okay, aber fit wie ein Turnschuh. Sie ist sehr selbstständig und selbstbewusst und weiß genau, was sie braucht und wie viel.
Ich würde es nie anders machen, denn das würde meiner Meinung nach bedeuten, gegen die Natur des Menschen zu handeln. Denn ich glaube nicht, dass es früher schon Gläschen, Babybrei, Windeln und so nen Schnickschnack gab 😉
Flaschennahrung wahrscheinlich auch nicht, da diese aber wichtig ist, wenn das Stillen nicht klappt, lasse ich sie mal aussen vor. Es ist nun mal nicht alles Neue schlecht.
Ein toller Artikel – sowas habe ich im Netz lange gesucht!! Unsere Tochter ist fast ein Jahr alt und möchte immer noch gut 6-8 mal am Tag gestillt werden. Essen findet sie spannend, aber wirklich viel landet nicht in ihrem Bauch. Dennoch gedeiht sie super!
Was immer geht: morgens Obst und Joghurt, ansonsten Brot, Tomaten, Nudeln, Rinderfilet und Brokkoli. So richtig ausgewogen ist das ja leider nicht und ich frage mich, wie wir weitermachen sollen. Zumal bald die Kita-Eingewöhnung beginnt und sie dort mittags auch essen soll. Haben Sie vielleicht dafür ein paar Tipps? Danke vorab und weiterhin viel Erfolg – Ihre Webseite ist total interessant!!
Liebe Natascha,
spezielle Tipps für das Essem in der Kita habe ich jetzt nicht.
In der Regel ist das aber unproblematisch, Kinder sind ja flexibel und äußerst anpassungsfähig. 🙂
Oft essen sie in anderer Umgebung und mit anderen Kindern als Vorbilder gerne (und vielleicht sogar mehr als zuhause), vorausgesetzt sie fühlen sich dort wohl und das Essen schmeckt.
Also abwarten und zuversichtlich sein!!
Herzliche Grüße,
Regine Gresens
Ein sehr guter, beruhigender Artikel. Unsere Tochter (gerade ein Jahr) lässt sich beim BLW auch viel Zeit, isst über den Tag verteilt gerne Obst, Brot, Nudeln, tut sich aber schwer mit Gemüse und Käse. Es gibt Tage, da möchte sie nichts probieren, an anderen nimmt sie es wenigstens in den Mund. Wenn es nach ihr ginge, könnte sie zu jeder Mahlzeit Wurst essen.
Sie stillt über den Tag verteilt dreimal und immer mal wieder nachts. Das möchte ich auch nicht aktiv verringern, sondern sie das Tempo bestimmen lassen.
Gibt es zu dem throwing Food einen Artikel / einen Link? Unsere Tochter macht es auch, ganz bewusst, und ich probiere ihr beizubringen, das Essen nicht weg zu werfen sondern auf dem Tisch liegen zu lassen. Jetzt bin ich aber verunsichert, ob das ihr Essverhalten beeinflusst, wenn ich sie dazu bringen möchte, das Wegwerfen sein zu lassen.
Vielen Dank im Voraus!
Hallo Karin,
zum Wegwerfen des Essens gibt es aktuell noch keinen Artikel. Er ist aber bereits in Arbeit und wird demnächst auch veröffentlicht. 🙂
Liebe Grüße,
Regine Gresens
Vielen lieben Dank für die schnelle Antwort. Da bin ich schon gespannt. 🙂
Liebe Grüße