Von Marina |
Liebe Frau Gresens,
ich bin bereits seit einiger Zeit großer Fan Ihrer Seite. Leider habe ich sie erst gefunden, nachdem ich meinen ersten Sohn abgestillt hatte. Seitdem freue ich mich jedoch über jeden Artikel und die vielen Tipps! 😊
Auch ich würde gerne meine Geschichte mit Ihnen teilen und vielleicht hilft sie ja der ein oder anderen Mama…
Vor drei Jahren bekam ich meinen ersten Sohn. Die Geburt lief leider überhaupt nicht so, wie ich mir das gewünscht hatte. Sie endete nach vielen hart gekämpften Stunden im Kaiserschnitt, für mich ein traumatisches Erleben.
Nach der Geburt konnte ich lange Zeit meinen Sohn nicht als meinen annehmen und litt unter fürchterlichen Schuldgefühlen. Ich fühlte mich als Mutter unzureichend, als hätte ich mir die Bezeichnung erschlichen.
Vor der Geburt hatte ich bereits Info-Abende zum Stillen besucht. Ich freute mich sehr und nie kam ich mit dem Thema in Berührung, dass es eventuell nicht klappen könnte.
Doch als wir aus dem Krankenhaus kamen, klappte nichts.
Schon im Krankenhaus hatte mir das Stillen Schmerzen bereitet. Wenn ich um Hilfe bat, erhielt ich Stillhütchen (jedes Mal eine andere Größe und mein Bauch sagte mir, das kann irgendwie nicht stimmen) oder es kam jemand rein, legte mir mein Kind an, indem unsanft meine Brust zusammengedrückt und meinem Sohn ins Gesicht gepresst wurde.
Nachhaltig war das nicht. Denn beim nächsten Mal wusste ich ja wieder nicht, was ich tun sollte. Und aus heutiger Sicht, weiß ich auch, dass dies nichts mit richtigem Anlegen zu tun hatte.
Meine Nachsorge-Hebamme saß zwei Meter von mir weg und meinte, es sähe doch alles gut aus. Meine Brustwarzen sahen dafür überhaupt nicht gut aus: Blutig, zerbissen, Hämatome in der Brust.
Aber wenn ich ihn schon nicht „richtig“ gebären konnte, – so meine verletzte Seele – wollte ich meinen Sohn doch wenigstens stillen.
Unter Tränen und mit Schmerzmitteln – über meine Belastungsgrenze hinaus – versuchten wir es sechs Wochen lang. Teilweise schlief ich gar nicht mehr, weil ich nach dem Stillen die Brüste mit Salben behandelte, die ich dann vor dem Stillen abwaschen musste. Für keinen von uns war dies eine schöne Zeit.
Die Stillberaterin, die ich vor der Geburt kennengelernt hatte und die ich im Wochenbett kontaktierte, wies mich mit den Worten „ich hätte nur Angst und müsse mich mehr entspannen“ ab.
Ich las Bücher und im Internet – aber nichts half.
Nach fünf Wochen waren wir bei einer Osteopathin, die mir erklärte, dass der Kopf meines Kindes durch die Geburt total verspannt war.
Nach sechs Wochen war ich zur Nachkontrolle bei meiner Gynäkologin. Ich war so dankbar und erleichtert, als sie meine Brüste sah und mich und meine Gefühle ernst nahm. Ich stillte an diesem Tag noch ab. Ich glaube, es war die beste Entscheidung, die ich für die Beziehung zu meinen Sohn und mich damals treffen konnte.
Als mein Sohn älter war, gingen wir zur Physiotherapie, da er in seiner Entwicklung leicht verzögert war und in der Bauchlage vor Schmerzen brüllte. Dort wurde festgestellt, dass nicht nur sein Kopf, sondern auch sein ganzer Körper verspannt war.
Mühsam und mit viel Geduld und endlich guter Hilfe konnte ich ihm endlich helfen. Und ich verstand, warum wir nicht stillen hatten können: Durch die starke Verspannung, insbesondere im Kiefer, konnte mein Sohn den Unterdruck nicht erzeugen oder halten und als Notlösung biss er sich fest.
Geburtsbedingte Blockaden der Wirbelsäule oder des Kopfgelenks können zu einer allgemein erhöhten Körperspannung sowie zu Verspannungen der Kiefergelenke führen und dadurch das Anlegen an einer oder an beiden Brüsten sehr schwierig und/oder schmerzhaft machen. Eigentlich hätte eine osteopathische Behandlung hier helfen sollen. Aber manchmal ist zusätzlich auch noch eine Physiotherapie erforderlich.
~ R. Gresens
Zwei Jahre später kam mein zweites Kind zur Welt. Auch ihn wollte ich wieder stillen. Ich hatte große Angst, wollte es aber unbedingt versuchen.
Dank meiner wundervollen Beleghebamme hatte ich dieses Mal ein traumhaftes Geburtserlebnis und auch das Stillen klappte sofort.
Als ich einmal doch unsicher war, krabbelte sie fast auf meinen Schoß, um zu sehen, ob alles „richtig war“, während ich mein Kind anlegte und stillte.
So oft – während der Geburt und der ersten Stillzeit – musste ich an meine Erfahrungen mit meinem Großen denken und wie sehr ich gelitten habe, weil ich keine richtige Hilfe erhalten hatte.
Lustigerweise wollte mein Großer nach einigen Monaten als großer Bruder auch wieder stillen und ich ließ ihn. Für wenige Sekunden legte er seine Lippen vorsichtig an meine Brust, um dann freudestrahlend „satt“ zu verkünden und weiter zu spielen. Nichts hat uns beide so versöhnt wie dieses spielerische Stillen, das er ab und zu wiederholte.
Eigentlich wollte ich meinen Kleinen sechs Monate stillen und dann schnell in die Beikost wechseln. Aber mein Kleiner hatte ganz andere Pläne. Er wollte nicht. Ein Löffel oder zwei, pures Interesse, aber danach war dann Ende. Weil ich mich viel mit dem Thema auseinandergesetzt hatte und gelernt hatte auf mein Gefühl als Mutter zu hören und ihm zu vertrauen, ließ ich es dabei.
Ich bot ihm immer wieder Essen an, das er gern probierte, aber wir stillten fröhlich und bedarfsgerecht weiter. Kritische Stimmen ignorierte ich oder widersprach ihnen und entkräftete oder widerlegte die Argumente, dank der vielen Infos, die ich mir zu dem Thema (unter anderem auf Ihrer Seite) angelesen hatte.
Heute ist mein Kleiner 20 Monate alt. Wir stillen immer noch mittags zum Einschlafen und nachts nach Bedarf. Das ist manchmal häufiger und manchmal nur abends und morgens. Dass er sich nicht richtig entwickelt, habe ich keine Angst. Irgendwann wollte er zum Beispiel ganz von alleine dann doch lieber mehr feste Kost. Tatsächlich sehe ich viele Vorteile, die das lange Stillen mit sich bringt.
Nun bin ich mit meinem dritten Kind schwanger. Wenn mein Kleiner sich vor der Geburt abstillt, dann ist das so. Wenn nicht, werde ich in das für uns neue Thema Tandemstillen vorstoßen. Angst habe ich keine. Ich hoffe, weiter auf mein Bauchgefühl vertrauen zu können. Gedanken machen ich mir natürlich trotzdem, denn leider hören die Kommentare niemals auf.
Leider gibt es kaum Informationen zu manchen Themen, die mich nun beschäftigen. Insbesondere würde mich interessieren, ob das Kolostrum trotz des Stillens gebildet wird. Auch Mediziner, die ich gefragt habe, haben mir (glücklicherweise ehrlich) geantwortet, dass sie es schlichtweg nicht wissen.
Die Zusammensetzung des Kolostrums wird durch die Schwangerschaftshormone bestimmt. Das Neugeborene erhält also auch die wertvolle erste Milch mit den wichtigen Abwehrstoffen. Es sollte aber möglichst immer als erstes an die Brust dürfen, damit das Große ihm nicht zu viel wegtrinkt.
~ R. Gresens
Vielleicht haben meine Kinder später das Glück, dass jede Frau selbst entscheiden darf, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen, wie und wie lange sie stillen möchte und das Wissen dazu muss nicht mühsam gesucht werden, sondern ist frei verfügbar.
Wenn ein Kind geboren wird, wird auch immer eine Mutter geboren. Kindern verzeihen wir ihre Unvollkommenheit, ihre Unwissenheit und gestehen ihnen zu, dass sie noch wachsen und lernen müssen.
Das selbe haben auch wir Mamas verdient. Wir können auch nicht alles sofort, und wissen nicht immer die richtige Lösung.
Aber wir dürfen den Mut haben und uns wertvoll genug fühlen auch scheitern zu dürfen, um es dann vielleicht nochmal zu versuchen.
Und wenn sich etwas oder ein Kontakt nach Sackgasse anfühlt, darf und sollte jede Mama weitersuchen, und zwar so lang bis es sich richtig und gut anfühlt.
Danke für Ihre tolle Website! Und Ihre Mühe diesen Schritt zu gehen!
Viele Grüße,
Marina
Originalbericht einer Mutter, Mai 2020
Foto: Andrew Seaman
Liebe Marina,
ganz lieben Dank für Deinen Bericht. Ich stimme Dir absolut zu, dass keine Mutter sich vor Anderen rechtfertigen muss, ob und wie lange sie stillt. Tatsächlich sind es aber oft die eigenen Ansprüche der Mütter an ihre Gebär- und/oder Stillfähigkeit, die nach einem ungeplanten Kaiserschnitt und/oder vorzeitigem Abstillen zu den sehr negativen Gefühlen führen. Aber das Gute ist, daran lässt sich arbeiten.
Und wenn es, so wie bei Dir, mit guter Unterstützung beim nächsten Kind besser läuft, kann dies auch vieles heilen.
Ich wünsche Dir/Euch eine schöne dritte Stillzeit.
Alles Liebe, Regine Gresens
Hast Du selbst eine schwierige Situation mit Deinem Baby erfolgreich bewältigt?
Und möchtest Du Deine Erfahrungen gerne hier mit Anderen teilen?
Dann schreib mir doch Deinen eigenen Bericht!
Dir gefällt dieser Beitrag? Dann pinne ihn in die Welt hinaus!
Fürs Liken, Teilen und Pinnen sage ich herzlich Danke!