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Autorin: Dr. Gill Rapley |
Ich werde oft gefragt, ob es möglich ist vom konventionellen Abstillen zu Baby-led Weaning (BLW) zu wechseln oder etwas von beidem zu machen.
Außerdem höre ich oft Berichte, dass Eltern gebeten werden Online-Gruppen zu verlassen, weil sie keine ‚richtigen‘ BLWler sind.
Daher dachte ich mir, es ist an der Zeit meine Ansicht zu alledem zu erklären.
Was IST Baby-led Weaning?
Eltern werden oft gefragt “Macht ihr BLW oder füttert ihr mit dem Löffel?“.
Aber die richtige Frage sollte lauten: „Folgt ihr bei der Beikosteinführung einem babygesteuerten Ansatz oder einem konventionellen?“.
Das liegt daran, weil BLW keine Fütterungs-Methode ist, sondern eine grundlegende Herangehensweise an Babys und Essen.
Es geht darum, wie du die Fähigkeiten deines Babys in Bezug auf sein Essverhalten betrachtest, nicht nur darum, ob du es mit einem Löffel fütterst oder nicht.
BLW umfasst, dem Baby gesunde Nahrungsmittel anzubieten, es an den Familienmahlzeiten zu beteiligen, sicher zu stellen, dass es sich nur selber die Nahrung in den Mund steckt und ihm zu vertrauen, dass es weiß, ob, was, wie viel und wie schnell es isst – sowie ihm von Beginn an greifbare Lebensmittel (Finger Food) anzubieten und es mit den Händen essen zu lassen.
Es ist durchaus möglich sich zu entscheiden, Löffel und Brei nicht einzusetzen, ohne dem Baby voll und ganz zu vertrauen und es zu respektieren, was aber genau das ist, worum es beim BLW wirklich geht.
Können wir zu BLW ‚wechseln‘?
Ja! Ich bin überzeugt, dass es nie zu spät ist zu BLW zu wechseln.
Obgleich ein Baby, bei dem die Beikost mit Brei und Löffelfütterung begonnen wurde, nicht wirklich als voll BLW-eingeführt definiert werden kann (siehe unten: Warum Definitionen eine Rolle spielen). Das heißt jedoch nicht, dass man nicht sagen kann, es und seine Eltern folgen momentan einem BLW-Ansatz.
Es ist das Gleiche wie bei einer Mutter, die mit Säuglingsnahrung startet und dann zum vollen Stillen wechselt – ihr Baby wurde nicht ‚ausschließlich gestillt‘, aber nichtsdestotrotz sind sie jetzt ein Stillpaar.
Jeder hat das Recht seinen Ansatz zu verändern, wenn sie etwas Neues kennengelernt haben oder wenn sie feststellen, dass das, was sie gewählt hatten, bei ihnen nicht funktioniert.
Können wir ‚beides ein bisschen machen‘?
Das ist eine verzwickte Sache.
Ich bin absolut dafür, dass Eltern es so machen, wie es für sie und ihr Kind am besten funktioniert. Wenn dazu eine Kombination aus Löffelfütterung und Selbst-Fütterung gehört, dann ist es so.
Was dies aber nicht ist, ist eine Kombination aus BLW und konventioneller Beikosteinführung – es ist tatsächlich nur konventionelle Beikosteinführung, begonnen mit sechs Monaten (denn ab diesem Alter wurde die Einführung von Finger Food neben den mit dem Löffel gefütterten pürierten oder zerdrückten Nahrungsmitteln schon immer empfohlen).
Beim BLW geht es um mehr, als nur dem Baby Nahrung anzubieten, die es selbst greifen kann – es geht darum, ihm zu vertrauen, dass es weiß, was es braucht.
Wenn du es mit dem Löffel nachfütterst, nachdem es mit seinen Händen probieren durfte, machst du das nicht wirklich.
Der Kernpunkt ist, dass deinem Baby zu vertrauen und ihm nicht ganz zu vertrauen, schlicht und einfach nicht vereinbar sind. Also, auch wenn etwas Selbst-Fütterung und etwas Löffelfütterung für euch funktionieren können, es ist nicht BLW.
Viele Eltern, die sagen, sie machen bei ihrem Baby ‚ein bisschen von beidem‘, folgen tatsächlich einer konventionellen Beikosteinführung, ohne es zu realisieren.
Der Grund dafür ist das Timing: Das Gespräch über BLW begann etwa um die gleiche Zeit (2002) als sich das empfohlene Mindestalter für die Beikostfütterung von vier Monaten zu sechs Monaten änderte.
Die Folge ist, dass vielen Eltern nicht bewusst ist, dass Finger Food bereits vor diesem Zeitpunkt ab sechs Monaten empfohlen wurde – neben Brei. Daher glauben sie, dass das Anbieten von jeglichem Finger Food bedeutet, dass sie ‚(etwas) BLW machen‘.
Warum Definitionen eine Rolle spielen
Ist die Definition von BLW wirklich von Bedeutung? Ich bin der Meinung, sie ist es, und zwar aus zwei Gründen:
Erstens, es spielt eine Rolle für Eltern, die zum ersten Mal etwas über BLW hören. Damit sie eine informierte Entscheidung treffen können, wie sie mit ihrem Baby an die Beikosteinführung herangehen möchten, müssen sie die flankierende Gesamthaltung des Baby-led Weaning verstehen.
Wenn das nicht der Fall ist, setzen sie es möglicherweise nur teilweise um und sind dann bestürzt, wenn es nicht ‚funktioniert‘.
Und noch schlimmer, sie könnten etwas gefährliches tun, wie etwa ‚für ihr Baby‘ Nahrungsstücke in seinen Mund stecken, was zum Verschlucken führen könnte.
Der zweite Grund, weshalb ich denke, Definition spielt eine Rolle, ist, das Wissen über Kinder und Essen zu vergrößern – weltweit.
Damit die, wie wir glauben, damit die lebenslangen Vorteile von BLW für Babys (bessere Essgewohnheiten, weniger Risiko von Übergewicht, usw.) wissenschaftlich bewiesen werden können – oder auch nicht bewiesen werden, muss in Studien klar und unmissverständlich definiert werden, was ‚echtes‘ BLW ist.
Wenn Forscher Vergleiche anstellen zwischen Babys, die mit BLW an die Beikost geführt wurden, und konventionell an die Beikost herangeführten Babys, ohne eine akkurate Definition, was diese Begriffe genau bedeuten, besteht ein großes Risiko, dass manche Babys als BLW-Babys angesehen werden, die z.B. in den ersten zwei Wochen Brei als Beikost bekommen haben oder die bei bestimmten Mahlzeiten regelmäßig mit dem Löffel gefüttert wurden oder die immer getrennt von der restlichen Familie gefüttert wurden.
Eine derartige Vermischung würde die Forschungsergebnisse bedeutungslos machen und könnte dazu führen, dass einige der echten Vorteile von BLW nicht festzustellen sind.
(Aus dem gleichen Grund bestehen Forscher heutzutage auf einer eindeutigen Definition des ‚ausschließlichen Stillens‘. Denn erst seit die Bedeutung dieses Begriffes anerkannt wurde, konnten die tatsächlichen Unterschiede zwischen Stillen und Ernährung mit künstlicher Säuglingsnahrung eindeutig festgestellt werden.)
Zum ‚Club‘ dazugehören
Was bedeutet dies nun für BLW-Gruppen und -Foren?
Sollten Eltern, die ‚ein bisschen von beidem‘ machen oder die mit einem konventionellen Ansatz begonnen haben und dann zu BLW ‚gewechselt‘ sind, Mitglieder des BLW-‚Clubs‘ sein dürfen?
Meine Antwort lautet: Ja, ich denke, sie sollten.
Ich bin zwar der Meinung, dass es für jeden wichtig ist, sich darüber klar zu sein, ob das, was sie tun ‚echtes‘ BLW ist oder nicht.
Dennoch finde ich nicht, dass sich irgendjemand ausgeschlossen fühlen sollte, weil sie sich nicht dafür entscheiden (oder nicht in der Lage sind), es buchstabengetreu zu befolgen.
Jeder ist anders: Einige haben ein Unterstützungsnetzwerk aus Familie und Freunden, das sehr pro-BLW ist, während andere jeden Tag auf Abwehr treffen.
Manche Babys haben besondere medizinische oder Entwicklungsschwierigkeiten, die sich auf ihr Essverhalten auswirken.
Vielen Eltern gibt die Möglichkeit, an den Erfahrungen von Anderen teilzuhaben, den Mut, auf dem Level zu bleiben, auf dem sie sind, oder den Sprung zum ‚vollen‘ BLW zu schaffen.
Leute treffen sich an unterschiedlichen Punkten auf der Reiseroute als Eltern, aber wir können trotzdem Freunde sein und zusammen reisen, miteinander teilen, was wir gemeinsam haben, und gleichzeitig unsere Unterschiede respektieren.
Obgleich es nicht hilfreich ist, Leute zuzulassen, die darauf aus sind Ärger zu machen, würde ich gerne sehen, dass jede Person, die wirklich daran interessiert ist mehr über BLW zu erfahren, sich in einer BLW-Gruppe willkommen fühlt.
Original: Is what you’re doing BLW? And does it matter? von Dr. Gill Rapley, July 2016
Übersetzung: Regine Gresens, IBCLC, August 2018
Foto: Tabea Diek
Hier sind auch Bücher über BLW* und weitere Linktipps zu BLW.
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Ich empfehle hier nur, was ich kenne und für gut und sinnvoll halte.
Wie sind Deine Erfahrungen mit Baby-led Weaning?
Teile sie gerne unten im Kommentarfeld mit mir und anderen Eltern!
Falls Du auch ein schönes Foto vom BLW hast, das Du teilen magst, freue ich mich sehr, wenn Du es mir per Email schickst.
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Fürs Liken, Teilen und Pinnen sage ich herzlich Danke!
Was mich an den Definitionen stört ist, dass damit eben doch auch eine Wertung einhergeht! Das Wichtigste ist, denke ich, dem Kind und seinen Signalen zu folgen.
Kind 1, das selbst bestimmte Wesen, hat uns dazu „gebracht“ BLW zu machen, weil es alles andere nicht akzeptiert hat! ? Es wollte nicht gefüttert werden (allerdings auch nicht mehr gestillt zu dem Zeitpunkt)! Da ich nur die konventionelle Variante kannte, haben wir es versucht! Sie wollte nicht, aber alles von uns! Allerdings trotzdem kaum stillen! Dabei ruhig zu bleiben und den Brei aufzugeben, hat mich viel Nerven gekostet. Und Schlaf! Denn nach Monaten der Gewichtsabnahme (und sie war schon von jeher ein Spargel) hat die Süße entschieden wieder mehr zu stillen, gern stündlich nachts. Ich habe ehrlich gesagt Eltern beneidet, deren Kinder Brei gegessen haben und die sich nicht dauernd anhören mussten, dass das Kind aber wenig ist! Oder umgekehrt, wenn man sich sorgte: Es wird sich schon holen, was es braucht! Ich habe die Große, Selbstbestimmte, genommen wie sie war, aber nicht aus diesem Ansatz den „Heiligen Gral“ gemacht! Wer die Nerven, Möglichleiten und äußeren Umstände hat, dem zu folgen, wie es natürlich gedacht ist (denn in der Steinzeit gab es keine Pürierstäbe und Löffel, vielleicht aber vorkauende Mütter, die den Nahrungsbrei dann ausspuckten und den Kindern mit dem Finger in den Mund machten), der tut denn Umgang seines Kindes mit Essen und dem eigenen Sättigungsgefühl bestimmt etwas Gutes. Wer Brei füttert, KANN aber genauso liebevoll auf die Signale des Kindes eingehen und „Füttern nach Bedarf“ machen.
Bitte nicht beide Wege gegeneinander ausspielen!
Wir machen wohl „richtiges BLW“. Mein Kleiner ist nun 19 Monate, hat sich mit 5,5 Monaten die erste Kartoffel vom Teller geklaut und gelutscht und isst seitdem mal mehr, mal weniger begeistert vom Familientisch mit.
Klar hat er auch manchmal ohne uns gegessen, wenn er Hunger hatte und wir nicht, aber bei dem Familienmahlzeiten war er immer dabei, wenn er diese nicht verschlafen hat (was gerade am Anfang ab und zu vorkam).
Das hieß nicht, dass es bei uns keinen Brei gab. Mit ungefähr 8 Monaten hat er ungewürzte, dicke Kürbissuppe (also Kürbis-Kartoffel-Brei) mit den Fingern oder Brot gegessen hat.
Mittlerweile möchte er manchmal gefüttert werden (bei Joghurt zum Beispiel) und zeigt auf den Löffel und sagt „Hilf“. Er bestimmt aber Menge und Tempo. Vielleicht machen wir also doch kein echtes BLW… 😉
Mich stört, dass BLW häufig synonym mit Fingerfood verwendet wird und die Idee dahinter ignoriert wird. Dabei wird pürierte Nahrung beim BLW per se überhaupt nicht ausgeschlossen.
Hallo! Mein Kleiner war anfangs – die ersten zwei Monate – ein echter BLWler… bis ungefähr zum achten Monat, da hat er mit dem Zahnen Joghurt für sich entdeckt. Er hat es zuerst mit den Fingern versucht, aber ablecken ist nicht seins, dann mit dem Löffel. Irgendwann hat er mir den Löffel hingehalten… er wollte ihn gefüllt haben. Danach hat er jetzt drei Methoden entwickelt, zwischen denen er nach Lust und Laune wechselt… er nimmt mir den gefüllten Löffel aus der Hand, er will etwas Unterstützung (ich darf den Löffel leicht dirigieren, den Rest macht er selber), und manchmal streckt er die Hände zur Seite und will gefüttert werden. Etwas ähnliches hat er sich auch bei festen Nahrungsmitteln angewöhnt. Bei Dingen, die er schwer greifen kann, schnappt er meine Hand und legt sie auf das, was er haben möchte. Wenn ich es dann greife, lenkt er meine Hand zu seinem Mund.
Lg
Ich persönlich denke, dass das, was du beschreibst, immer noch echtes Baby Led Weaning ist. Der Löffel ist nur ein Hilfsmittel ein Lebensmittel, das schlecht greifbar ist, in den Mund befördert zu bekommen. Das Essen wollen geht von ihm aus. Und ich denke, das kann auch Brei sein. Und ich denke, es ist auch wichtig, nicht gleichzeitig die Brust zu entziehen und den Brei nach und nach als einzige Nahrung anzubieten, sondern zu akzeptieren, dass viele Kinder sich noch lange an der Brust satt trinken. Wenn man auf das Tempo des Kindes achtet, ist es meiner Meinung nach egal, ob ein Löffel im Spiel ist oder nicht. Dieser Aspekt kam mir im Artikel oben etwas zu kurz.
Mein Sohn ist entwicklungsverzögert und neun Wochen zu früh geboren. Er hat noch mit acht Monaten nicht auf einen Löffel reagiert. Ich wurde damals durch Ärzte sehr verunsichert, was das Risiko eines Eisenmangels angeht. Ich habe irgendwann für mich beschlossen, dass es die Muttermilch schon richten wird und er hat bis heute keinen Mangel. Er wiegt mit dreieinhalb Jahren 18 Kilo und isst kaum bis gar kein Fleisch und wenig Wurst, seine Favoriten sind alle Kohlenhydrate. Auch stillt er immer noch.
Eine andere Ärztin meinte, er würde von der Milch zu dick und bräuchte nun Gemüsebrei. In keinem der Fälle wurde gefragt, ob er sich dafür interessiert. Ich kann aus heutiger Sicht nur mit dem Kopf schütteln, wie miserabel die Ärzte informiert sind und wie wenig Babys geachtet werden. Als wären sie Maschinen, die man nur richtig befüllen müsste.