Von einer Mutter |
Fynn – 28.08.2001, 53 cm, 3360 g
Wie sehr hatte ich mich beim zweiten Kind gerade aufs Stillen gefreut!
Nach einer überaus harmonischen, aus beruflichen Gründen aber leider kurzen Stillzeit meines ersten Kindes, sah ich das alles schon wieder vor mir: die einzigartige Mimik und Gestik, die man nur beim Stillen sieht und die kleinen Geräusche, dieses wohlige Stöhnen und Schlucken, das es bei keiner Flaschenmahlzeit in dieser Form gibt. Ein halbes Jahr wollte ich diesmal voll stillen und danach auf jeden Fall morgens und abends.
Dementsprechend geschockt war ich, als meine Hebamme nach zwei Wochen Fertignahrung auf den Wickeltisch stellte und sagte, ich müsse jetzt zufüttern.
Bis dahin hatte ich Fynn alle Stunde angelegt (auf ihr Anraten aber nicht öfter, da er sonst Blähungen durch die angedaute Milch bekommen würde, was ein Ammenmärchen ist, wie ich heute weiß), Unmengen getrunken (was auch nicht das Wahre ist) und mich mit kalorienhaltigen Lebensmitteln voll gestopft, um mein Söhnchen zufrieden zu stellen. Trotz aller Anstrengungen nahm Fynn aber nicht zu und hatte nach eben diesen zwei Wochen noch immer sein Klinikentlassungsgewicht.
Also gab ich ihm schweren Herzens nach jeder Stillmahlzeit eine Flasche Fertignahrung und er nahm gut zu. Meine Angst, dann bald nicht mehr stillen zu können, kommentierte die Hebamme: „Sie haben doch alles versucht, manchmal ist das eben so, stillen Sie so lange es geht.“
Obwohl ich natürlich froh war, Fynn zunehmen zu sehen, habe ich das Zufüttern gehasst. Ich fühlte mich unfähig, überflüssig und minderwertig, da doch schließlich ,jede Frau stillen kann, wenn sie nur will‘. Mir fielen alle meine Bekannten ein, die erfolgreich stillten und von jeder Verpackung strahlten mich – vermutlich voll stillende – glückliche Mütter mit ihren wohlgenährten Babys an.
Also beschloss ich nach einer Woche, die Anstrengungen wieder aufzunehmen und nur noch eine „Notflasche“ pro Tag zuzufüttern. Das ging auch ganz gut – dachte ich -‚ da Fynn von Anfang an ein eher unruhiges Baby gewesen war, das sehr viel Körperkontakt brauchte und nicht gerne „abgelegt“ wurde.
Nach einer weiteren Woche ließ ich auch diese Flasche weg. In dieser Woche kaufte ich mir ‚Das Stillbuch‚* und rief bei der La-Leche-Liga an, um mich möglichst umfassend zu informieren und wirklich alles zu tun. Am Ende der Woche wog ich Fynn wieder und er hatte nur 20 g zugenommen. Da war ich wieder völlig verzweifelt, denn hungern sollte der Kleine natürlich auch nicht.
So rief ich erneut die La-Leche-Liga an und machte eine 48 Stunden Stillprobe. Auch hier lag das Ergebnis deutlich am unteren Limit der Erwartungswerte. Schließlich schlug die Beraterin vor, wir könnten uns doch bei dem Infotag meiner Entbindungsklinik im Rahmen der Weltstillwoche treffen, damit sie Fynn mal in Augenschein nehmen könnte. Dort traf ich dann auf eine weitere Hebamme, die auch Still- und Laktationsberaterin ist. Sie bot mir an, uns zu Hause zu besuchen und machte mir Mut, dass die häufigsten Stillprobleme mit nur wenigen Besuchen und Telefonaten behoben werden könnten.
Wenige Tage später war unser erster Termin und sie sah sofort, dass Fynns Zungenbändchen so kurz war, dass seine Zunge gar nicht richtig arbeiten konnte und das Stillen demnach gar nicht funktionieren konnte. Da dies mit einem kleinen Schnitt leicht zu beheben ist, war ich einerseits sehr erleichtert, andererseits aber auch niedergeschlagen, dass diese Diagnose nicht vorher gestellt worden war. Hinzukam, dass Fynn beim Trinken den Mund nicht weit genug öffnete und sehr häufig einschlief.
So fingen wir nach sechs Wochen quasi wieder von vorne an, da meine Milchmenge aufgrund der mangelnden Stimulation natürlich nicht ausreichte. Wir starteten sofort mit häufigem Abpumpen und Zufüttern der abgepumpten und zunächst auch wieder von Fertigmilch. Nachdem das Zungenbändchen geschnitten war, habe ich Fynn zwei Tage lang per Fingerfeeding gefüttert, damit er das richtige Saugen lernen konnte, was der kleine Kerl tapfer mitmachte.
Danach folgte eine Phase mit Stillen, Abpumpen und Zufüttern, die ich als extrem anstrengend empfunden habe, denn nun machte ich quasi nichts anderes mehr als mich um Fynns Ernährung zu kümmern und vor allem mein dreieinhalbjähriger Erstgeborener litt sehr unter dieser Situation. Zu der großen nervlichen kam nun auch die körperliche Belastung, da ich immer verspannter und müder wurde.
Mit vielen aufmunternden Telefonaten, dem geduldigen Wiederholen der Maxime „häufige Stimulation der Brust und viel Geduld“ sowie immer neuen Ideen (und sogar Buchtipps), half mir meine Hebamme durch diese schwere Zeit. Ich nahm Bockshornkleekapseln zur Steigerung der Milchmenge und für kurze Zeit sogar ein Nasenspray, dessen hormonelle Basis die Milch schneller fließen lässt.
Ich wog Fynn wöchentlich und seine vollen Windeln täglich, um eine Kontrolle über sein Gedeihen zu haben. Insgesamt entwickelte er sich nun gut und ich konnte die Fertignahrung bald weglassen, es blieb aber ein Auf und Ab.
Bis zur neunten Woche empfand ich das Stillen immer noch als Zitterpartie, war sehr unsicher und hatte ständig Angst, dass es am Ende doch nicht klappen würde und alles umsonst gewesen wäre. Zwischendurch hielt ich mich für sehr egoistisch, da ich doch meine beiden Kinder für meinen unerschütterlichen Stillwunsch so ‚leiden‘ ließ. Als es sich in der zehnten Woche gerade etwas entspannte, hatte ich aus heiterem Himmel einen einseitigen Milchstau, der uns wieder zurückwarf.
Erst einen Tag bevor Fynn drei Monate alt wurde, hatte ich plötzlich ein zufriedenes Baby, das gut trank, tagsüber schlafen konnte und nachts in seiner Wiege lag. Wenn Fynn im Bett war, pumpte ich einmal ab, um ihm diese Menge am nächsten Abend vor dem Schlafengehen zu geben.
Auch zwischendurch, wenn er untröstlich weinte, legte ich ihn häufig an, selbst wenn die letzte Mahlzeit noch gar nicht so lange her war. Theoretisch wusste ich zwar, dass sein Weinen auch andere Ursachen haben konnte, aber die Angst, dass er nicht satt wird, saß tief. Somit war für mich das Stillen, auf das ich mich so gefreut hatte, zum alles bestimmenden Thema geworden.
Zwei Wochen lief alles bestens, dann bekam Fynn Fieber und Durchfall und wurde wieder sehr unruhig. Die Unruhe blieb auch als er wieder gesund war und vor allem abends und nachts half nicht außer der Brust. Nach weiteren zwei Wochen gab ich ihm schweren Herzens abends und nachts eine Flasche Fertignahrung, da ich keine Energie mehr hatte, das Abpumpen wieder zu steigern und endlich aufhören wollte, mir Sorgen zu machen. Fynn trank die Flaschen gut, wurde dadurch aber nicht wesentlich ruhiger.
Erst später stellte sich heraus, dass er so früh mit dem Zahnen begonnen hatte. So ging es ca. drei Wochen gut, dann begann Fynn, die jeweils zweite Brust einer Mahlzeit kategorisch abzulehnen, zwei Tage lang lehnte er die Brust fast völlig ab. Diese Ablehnung traf mich mehr als alles was wir vorher durchgemacht hatten.
Wir stillten zwar weiter, meine Sorge um sein Gedeihen steigerte sich aber wieder von Tag zu Tag (da auch die Windeln nicht genug wogen), so dass ich dazu überging, auch tagsüber abwechselnd zu stillen und Fertignahrung zu füttern, um eine bessere Kontrolle über seine Trinkmenge zu haben. Zunächst hatte ich das Gefühl, so könnten wir noch lange weitermachen, doch leider fing Fynn sich mit knapp fünf Monaten einen Magen-Darm-Virus ein und trank beinahe gar nicht mehr.
Auf den Tag genau mit fünf Monaten stellte ich das Stillen ein, da die Milch einfach versiegt war. Obwohl ich das Gefühl habe, alles mir Mögliche getan zu haben, vergeht noch heute – einen Monat später – keine Mahlzeit, bei der ich nicht wehmütig ans Stillen zurückdenke und bedaure, dass es für uns beide nicht besser gelaufen ist.
Ich kann nur jeder Mutter, die sich fragt, wie viel Aufwand das Stillen wert ist, raten, führ Dir vor Augen wie viele Mahlzeiten ein Baby alleine in einer Woche zu sich nimmt und rechne das hoch auf die Monate, die Du stillen könntest. Diese unglaublich vielen innigen Erfahrungen sind ein Geschenk, das nur Du Deinem Baby machen kannst und das auch nur für begrenzte Zeit.
Originalbericht von Fynns Mutter, August 2004
Foto: Mothering Touch via photopin cc
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