Autor: Reinhard Mey |
Was habe ich in all den Jahren
Ohne dich eigentlich gemacht.
Als Tage noch tagelang waren,
Wie hab‘ ich sie nur ‘rumgebracht? Ohne Spielzeug zu reparieren,
Ohne den Schreck, der Nerven zehrt,
Ohne mit dir auf allen vieren
Durch‘s Haus zu traben als dein Pferd?
Keine ruhige Minute
Ist seitdem mehr für mich drin.
Und das geht so, wie ich vermute,
Bis ich hundert Jahre bin!
Du machst dich heut‘ in meinem Leben
So breit, daß ich vergessen hab‘,
Was hat es eigentlich gegeben.
Damals, als es dich noch nicht gab?
Damals glaubt‘ ich, alles zu wissen,
Bis du mir die Gewißheit nahmst.
Nie glaubt‘ ich etwas zu vermissen,
Bis an den Tag, an dem du kamst!
Das Haus fing doch erst an zu leben,
Seit dein Krakeelen es durchdringt,
Seit Türen knall‘n, und Flure beben
Und jemand drin „Laterne“ singt.
Früher hab‘ ich alter Banause
Möbel verrückt, verstellt, gedreht,
Ein Haus wird doch erst ein Zuhause,
Wenn eine Wiege darin steht!
Tiefen und Höh‘n hab‘ ich ermessen,
Ängste und Glück war‘n reich beschert,
Das war ein leises Vorspiel dessen,
Was ich mit dir erleben werd‘!
Denn du kommst und gibst allen Dingen
Eine ganz neue Dimension,
Und was uns nun die Jahre bringen,
Meß‘ ich an dir, kleine Person!
Foto: Peter Laborne via photopin cc