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Kommentar Von Dorothee |
Hallo, ich heiße Dorothee, bin 36 Jahre alt und bin Beraterin. Wir wohnen in Köln und haben zwei Kinder. Unsere Tochter ist 4 Jahre alt und unser Sohn kam im Frühjahr 2023 auf die Welt.
Ich wollte aus vielen Gründen stillen, v.a. aber weil es einfach praktisch ist. Ich habe bereits meine Tochter gestillt und habe die Vorteile bemerkt. Man muss sich einfach keine Gedanken machen, das Trinken ist immer mit dabei und perfekt erwärmt und in der perfekten Zusammensetzung.
Wir haben auch bei meiner Tochter schon einen längeren Urlaub gemacht und sind nun mit beiden Kindern mehrere Monate auf Reisen, wobei wir viel in Nationalparks unterwegs sind und wandern gehen. Ohne Strom, Kühlung und nicht immer Zugang zu Fließwasser wäre ein Flaschenbaby etwas herausfordernder. Möglich wäre es aber natürlich totzdem, ich wollte nur sehr gerne mir um die Ernährung meines Sohnes auf unserer Tour keine Gedanken machen müssen.
Schon der Stillstart meine Tochter war damals etwas holprig und wir brauchten einige Wochen, bis es richtig geklappt hat. Es waren die klassischen Probleme, sie war nicht richtig angelegt, saugte mir die Brustwarzen blutig und nahm sehr schlecht zu. Meine damalige Hebamme war leider gar keine Hilfe, der Kinderarzt machte nur Druck und ich war ziemlich überfordert.
Gerettet hat uns dann der Besuch einer Stillberaterin, der ich heute noch sehr dankbar bin. In einer Stunde zeigte sie mir und meiner Tochter, was wir beide besser machen können und schon fing die Kleine an richtig zuzunehmen und das Stillen ging endlich nicht mehr mit diesen unsagbaren Schmerzen einher. Meine Tochter habe ich dann insgesamt 10 Monate gestillt, davon fast 8 Monate voll, da sie sich mit dem Brei essen sehr schwer getan hat. Nachdem das aber klappte, hat sie keine 2 Monate später normal mit uns gegessen.
Als ich mit unserem Sohn 3 Jahre später schwanger wurde, suchte ich mir eine neue Hebamme. Mit ihr besprach ich meine Sorgen zum erneuten Stillen, die Angst vor den Schmerzen und den Wunsch, dass es dieses Mal entspannter werden würde.
Die Geburt meines Sohnes ging recht schnell. Ab dem Moment, wo es richtig los ging, bis zur Geburt waren es 3 Stunden, davor hatte ich wie jede Nacht nur sehr leichte und unregelmäßige Wehen. Und am Anfang klappte alles wirklich viel besser, ich achtete ab dem ersten Tag genau auf das korrekte Anlegen, nahm mir die Zeit für alles und ließ die ersten Tage viel ruhiger angehen. Der Milcheinschuss kam bereits am zweiten Tag, der Kleine nahm die ersten zwei Tage gar nicht ab und ich war glücklich. Er war aber aufgrund der schnellen Geburt auch sehr müde und schlief ständig an der Brust ein.
Ab dem vierten Tag begann er plötzlich abzunehmen anstatt zuzunehmen, wurde immer unmotivierter an der Brust, schlief viel und wurde einfach immer müder. Meine Hebamme kontrollierte das alles sehr genau, fing aber auch an sich Gedanken zu machen, zumal ich das Stillen vermehrt als unangenehm empfand und erste Verletzungen auftraten. Sie war sich unsicher, da sie keinen Anlegefehler sehen konnte und empfahl nach einer Woche, dass wir einmal nach dem Zungenband schauen lassen sollten. Die Kinderärztin tat dies aber schnell ab, diagnostizierte eine Saugschwäche und verschrieb mir eine Pumpe.
Also stillte ich ab dann jeweils 15 min, pumpte dann ab, während mein Mann meinem Sohn die Flasche gab. So nahm er wieder zu, meiner Brust ging es besser, aber Freude machte mir das nicht mehr. Schnell wurde es immer anstrengender. Mein Sohn verweigerte die Brust, saugte gar nicht mehr, schlief ständig nach wenigen Minuten ein oder drehte sich weg. Mit meiner Hebamme besprachen wir, dass wir eine Stillberaterin heranziehen würden, damit die sich das Stillen noch einmal anschaut, nach dem Zungenband schaut und uns mit seiner vermehrten Ablehnung hilft .
Die Stillberaterin (leider durch einen Umzug nicht die Beraterin wie bei meiner Tochter) diagnostizierte eine Saugverwirrung und gab uns Tipps, wie wir vom Flaschefüttern wegkamen. Die Frage nach einem verkürzten Zungenband tat sie schnell ab. Das Umgewöhnen von der Flasche auf die Brust klappte zwar auch gut und mein Sohn nahm zu, die Schmerzen blieben jedoch und wurden immer schlimmer, als ich zum Vollstillen zurückkam.
Es gab viele Nächte, in denen ich nicht mehr weiter wusste, googelte nach Anlegefehlern, suchte immer neue Tipps, war mir sicher, dass irgendetwas falsch sein muss. Ich fand jedoch keine Lösung. Stillen soll ja nicht so schmerzen, aber es wurde nicht besser.
Es begann eine Odyssee an Arztbesuchen und Beratungen, angefangen über eine Osteopathin, zurück zu meiner Kinderärztin, zu einem weiteren Kinderarzt mit Spezialisierung in manueller Therapie, Email-Kontakt mit der ersten Stillberaterin, meine Frauenärztin, tägliches Lasern im Krankenhaus und am Ende eine neue Stillberaterin, nachdem ich mich von der ersten nicht verstanden fühlte. Jede sagte etwas Neues, nichts half.
Meine Hebamme versuchte mich so gut es ging zu unterstützen, aber es wurde immer schlimmer. Meine Brüste brannten irgendwann wie Feuer, es bildete sich eine subakute Mastitis und zusätzlich entstanden Blasen auf den Brustwarzen, die nicht mehr abheilten und immer wieder aufrissen. Alles während mein Sohn jedoch gut zunahm und glücklich und zufrieden war. Es endete damit, dass mir von der Kinderärztin gesagt wurde, ich hätte eine sehr empfindliche Haut und entweder muss ich da durch oder solle doch abstillen.
Mit dem Abstillen habe ich am Ende wirklich begonnen, als ich den rettenden Tipp bekam, zu einer Logopädin zu gehen, die auch Stillberaterin ist. Es war ein Kampf hierfür eine Überweisung zu bekommen. Mein Sohn war 3,5 Monate alt und meine Kinderärztin sagte mir ganz deutlich, dass sie es völlig lächerlich finden würde und mir der Termin auch nicht helfen würde. Für mich war aber klar, ich stille ab, wenn es so weitergeht, aber ich will immerhin die Ursache für diese Probleme kennen. Wenn niemand einen Anlegefehler findet, ich genug Milch habe und er zunimmt, muss es einen Grund für diese unerträglichen Schmerzen geben, die ich an einzelnen Tagen nur mit Schmerzmitteln ertragen konnte.
Die Logopädin war am Ende die erste Person, die mir genau zuhörte. Seit dem ersten Termin zu unseren Stillproblemen sagte ich zu allen, dass ich seinen Unterkiefer extrem spüre und als sehr unangenehm empfinde. Dazu wurde mir jedoch mehr als einmal gesagt, dass das nichts mit meinen Schmerzen zu tun hat. Die Logopädin schaute sich meine Verletzungen an und das Stillen. Nach nicht einmal 10 Minuten war ihr klar, dass es am Zungenband liegen muss.
Er konnte seine Zunge einfach nicht richtig bewegen, die immer wieder gegen meine Brustwarze stieß und so die Blasen verursachte, während er seine untere Kauleiste in meine Brust drückte. Hier kamen drei Sachen zusammen; er hatte seine eigene Technik gelernt, wie er an Milch kommt, und ich half ihm durch viel Milch und einem schnellen und starken Milchspendereflex. So nahm er trotz verkürzen Zungenband gut zu, ich hatte jedoch das Nachsehen.
Die Diagnose und das Durchtrennen des Zungenbandes führten nicht zur sofortigen Verbesserung. Er musste sich erst einmal umgewöhnen, nachdem er 3 Monate seine ganz eigene Technik entwickelt hatte. Jedoch bildeten sich nach dem Durchtrennen keine neue Blasen. Durch viele Übungen und Geduld gewöhnte er sich an eine neue Technik und das Stillen wurde nach 4 Monaten endlich entspannt.
Zwei Dinge sind mir hierbei wichtig weiter zu geben, das eine ist, dass nicht jede Stillberatung Wunder bewirkt und ich leider lernen musste, dass man manchmal nur die richtige Hilfe bekommt, wenn man hartnäckig ist und sich nicht verunsichern lässt.
Besonders enttäuscht bin ich von unserer Kinderärztin und der ersten Stillberaterin, die mir beide nicht richtig zuhören wollten und schnell ihre eigene Meinung bildeten und nach meiner Meinung mit der Diagnose „Saugschwäche“ und „Saugverwirrung“ nur ein Symptom erfolgreich behandelten, aber nicht nach der Ursache suchten. Begeistert bin ich bis heute von meiner Hebamme, die früh diesen Verdacht äußerte und mich wochenlang unterstütze. Im Gegensatz zu allen anderen, sagte sie mir deutlich, wo ihre fachlichen Grenzen sind, wobei sie am Ende ja recht behalten sollte mit ihrem ersten Verdacht.
Zum anderen möchte ich mitgeben, dass am Ende die Durchtrennung des Zungenbandes kein Allheilmittel sein muss, besonders nicht, wenn es so spät geschieht. Es bedarf dann immer noch sehr viel Geduld und Übung, aber in unserem Fall hat es geklappt und das Abstillen habe ich dann ganz schnell wieder gelassen. Aber einfach war es nicht und es hatte sehr persönliche Gründe, warum ich am Ende so lange durchgehalten habe.
Ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass es sich niemand antun sollte, unter Schmerzen zu stillen und in Angst vor den ersten Hungeranzeichen leben zu müssen. Wenn keine Ursache gefunden wird, man keine Kraft mehr hat oder einem die richtige Hilfe verwehrt bleibt, ist es völlig in Ordnung, die eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen. Nur jemand, der das einmal durchgemacht hat, weiß wie es einem dabei geht, unter Schmerzen alle zwei Stunden zu stillen und es macht einfach viele schöne Momente in der Anfangszeit mit dem Baby kaputt.
Mein Sohn ist jetzt fast 7 Monate alt, ich stille ihn noch und er wechselt auch erst langsam zu Brei. Ich bin glücklich, dass es bei uns noch geklappt hat, aber ich war am Ende völlig bereit abzustillen und 4 Monate drehte sich alles in meinem Leben um meine Stillprobleme. Ich selbst, meine Tochter und mein ganzes Umfeld hatten in der Zeit leider das Nachsehen und mein Mann war selbst völlig ratlos.
Ich bin der Überzeugung, dass unsere Kinder von entspannten und glücklichen Müttern profitieren. Das ist letzten Endes deutlich wichtiger, als die Frage, ob ein Baby gestillt wurde oder die Flasche bekommen hat. Aber wenn eine Mutter den Wunsch äußert, dass sie dennoch weiter stillen möchte, sollte mehr Unterstützung erfolgen und man sollte uns aufmerksamer zuhören.
Ich denke, wenn es einem sehr wichtig ist zu stillen und es klappt nicht, muss man sehr hartnäckig sein und man darf sich nicht mit Symptombekämpfung abgeben. Unser Gesundheitssystem ist leider nicht drauf ausgelegt, sich länger mit Stillproblemen zu beschäftigen, wenn es mit der Flasche auch eine einfache Lösung gibt. Quälen sollte man sich aber auf keinen Fall, eine Lösungssuche kann, wie bei uns, wirklich lange dauern, schmerzhaft sein und am Ende auch nicht wenig Geld kosten, da die Krankenkasse nur sehr wenig übernimmt.
Dorothee
Originalbericht einer Mutter, September 2023
Foto: Canva
Liebe Dorothee,
vielen Dank für Deinen Erfahrungsbericht.
Ich stimme Dir völlig zu, dass keine Mutter wegen Schmerzen Angst vor dem nächsten Stillen haben und sich quälen sollte. Auch dass manche „Diagnosen“ von Fachpersonen eigentlich nur Symptome beschreiben, jedoch keine Klärung – und schon gar keine Lösung – der Ursachen bringen. Vor allem wenn jeder etwas anderes sagt und nichts hilft, zeigt das eigentlich schon sehr deutlich, dass die Ursache noch nicht erkannt ist.
Leider ist auch die „Diagnose“ eines verkürzten Zungenbändchens nicht immer korrekt und die Behandlung bringt daher nicht immer den erhofften Erfolg.
Zudem ist leider die Berufsbezeichnung „Stillberaterin“ nicht geschützt und es gibt keine einheitliche Ausbildungsordnung, so dass die Qualifikation von Stillberaterinnen sehr unterschiedlich ist.
Aus diesen Gründen empfehle ich auch – so wie Du es getan hast – sich noch einmal an eine examinierte Stillberaterin IBCLC zu wenden, falls die zuvor erteilten Ratschläge von anderen Fachpersonen keine schnellen Erfolge bringen.
Ich wünsche Dir noch eine angenehme weitere Stillzeit, solange, wie es sich für Dich gut und richtig anfühlt.
Herzliche Grüße, Regine Gresens
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Ich hätte mir bei meinem Sohn sehr gewünscht, dass unsere Hebamme vernünftigerweise irgendwann gesagt hätte: ‚ist gut, wir haben alles probiert, es klappt einfach nicht und er wird auch mit Flasche wunderbar gedeihen’. So habe ich quasi die ersten 4 Monate mit meinem Neugeborenen verpasst, weil das Stillen viel zu sehr im Mittelpunkt gestanden hat und das werde ich meiner Hebamme nie verzeihen. Wenn 2 Zungenbanddurchtrennungen, 2 IBCLC Stillberaterinnen, unzählige Pumpeinheiten, jegliches verfügbare Still-Hilfsmittel, Osteopathie usw. nicht zum gewünschten Erfolg führen, dann muss man Stillen nicht versuchen zu erzwingen. Bei der heutigen Stilleuphorie scheint jedes Flaschenkind als Versagen der gesundheitlichen Versorgungsstruktur gewertet zu werden und das will scheinbar keine Hebamme auf sich sitzen lassen. Könnte ich die Zeit zurück drehen, würde ich mich sofort GEGEN das Stillen entscheiden.