Jean Liedloff entdeckte die Wichtigkeit des Urvertrauens während eines Aufenthalts im Amazonasdschungel.
Hier ist ein interessantes Zitat von ihr:
„Für einen beschützt aufgewachsenen Manhattanianer war es ein ziemliches Abenteuer, durch den Dschungel zu wandern, Schlangen und Skorpionen zu begegnen, in einer Hängematte zu schlafen. Die Menschen, denen wir begegneten, lebten noch in einer Art Steinzeit. Wieder zu Hause, waren es nicht die Diamanten, über die ich redete, sondern die Indianer – wie sie leben, wie ihre Kinder sind.
Mir wurde klar, dass wir im Hinblick auf unsere menschliche Natur einen schrecklichen Fehler begehen. Wir sind der Auffassung, dass wir schon „schlecht“ geboren werden, oder, mit den offiziellen Worten der Kirche Englands, „von Natur aus verderbt“ sind, und das stimmt einfach nicht.
Mehr als zwei Jahre lebte ich unter den Indianern, sah ihnen zu und war dennoch nicht in der Lage, sie wirklich zu sehen, weil ich durch die Brille meiner vor gefassten Meinungen schaute. Ich bemerkte nicht einmal, dass die Kinder erstaunlicherweise nie miteinander kämpften. Den ganzen Tag lang spielten sie unbeaufsichtigt miteinander, vom Krabbelalter bis hin zu den älteren, schon fast Erwachsenen. Sie stritten sich nicht einmal.
Das entsprach überhaupt nicht dem, was wir über unsere menschliche Natur lernen: „Jungs sind eben Jungs“, d.h. sie müssen sich prügeln. So begann ich zu denken, dass Jungs sich vielleicht doch nicht unbedingt prügeln müssen, um Jungs zu sein.
Wir denken, dass diese Menschen Wilde sind, weil sie sich mit roter Farbe bemalen und Lendenschurze aus Federn tragen – also sind es keine wirklichen Menschen.
In Wirklichkeit sind sie dieselbe Spezies wie wir, außer dass sie sich so verhalten, wie unsere Entwicklung es eigentlich erwarten ließe, während wir unsere Kinder in einer Weise behandeln, die unserer Spezies unangemessen ist.
Was wir hervorgebracht haben und hervorbringen, ist eine Anti-Gesellschaft. Niemand wird „schlecht“ geboren. Man hat keine „schlechten“ Kinder. Es ist einfach nicht wahr.
Hingegen ist wahr, dass wir sie „schlecht“ machen können.
Wir sind Neurotiker und Psychopathen geworden.
Warum liegt die Scheidungsrate bei 50 %?
Warum brauchen wir so viele Polizisten?
Nicht nur wir Amerikaner, die ganze westliche Welt leidet an dieser Fehlauffassung bezüglich der eigentlichen menschlichen Natur.
Forscher tun ihr Bestes, um darzulegen, was normal ist. Aber ein nach solchen Maßstäben „normales“ Kind will keiner meiner Bekannten wirklich haben, denn wenn wir uns anschauen, was normal zu sein scheint, dann haben wir es mit wilden, herumkommandierenden, schlecht gelaunten und von Wutanfällen geplagten Tyrannen zu tun, die zum Glück klein und noch nicht erwachsen sind, denn sonst hätten wir echte Schwierigkeiten. Wir haben auch so schon genügend Probleme und Entfremdung zwischen Erwachsenen und Kindern.
Wir verwenden das Wort „normal“ als wäre es ein Synonym für „natürlich“. Aber dem ist nicht so. Normal ist, wie wir meinen, dass Kinder zu sein hätten.
Wir halten es für normal, dass Kinder mit drei Monaten Koliken entwickeln und ständig erbrechen. Wir nennen es Spucken, damit es nicht wie eine Krankheit klingt, aber es ist eine Krankheit. Es ist schmerzhaft. Auch Säuglinge, die gestillt werden, bekommen diese Koliken. Sie erbrechen die Muttermilch.
Wie kommt es nur, dass wir glauben, die eine Spezies zu sein, die die Evolution über Jahrmillionen hinweg hervorgebracht hat, die Muttermilch nicht verdauen kann?
Warum sind „normale“ Säuglinge so gestresst, dass sie ihre Nahrung nicht behalten können?
Die Säuglinge, die ich im Dschungel sah, hatten keine schlechte Verdauung, es sei denn, sie litten an einem Fieber. Sie erbrachen niemals. Sie zappelten, quälten, krümmten und verbogen sich nicht und quietschten auch nicht, wie es unsere Babys „normalerweise“ tun. Was wir unter normal verstehen, ist schädlich.
Ich wünsche mir, dass die Leute erkennen, dass das, was sie mit all ihrer Liebe in ihrem Herzen tun (und daran habe ich keinen Zweifel) schädlich ist.
Wenn man dem Rat des Arztes oder der Experten folgt, oder dem der Schwiegermutter, oder dem der eigenen Mutter, der Schwester oder wessen Rat auch immer; wenn man das Kind nach Plan füttert; wenn man ihm den körperlichen Kontakt verwehrt, ihm nicht erlaubt, bei einem zu schlafen und bei einem zu sein, und zwar 24 Stunden pro Tag, nicht weniger, dann ist dies ein feindseliges Verhalten. Es ist wirklich nicht schwer zu verstehen, dass Millionen und Milliarden von Säuglingen, die in diesem Augenblick schreien, einstimmig körperliche Nähe suchen.
Ist es wirklich denkbar, dass sie sich alle irren? Ihre Stimme ist die der Natur, die reine, von intellektuellen Störungen freie Stimme der Natur.
Kinder lernen immer, egal was sie tun. Bei allem, was sie tun, lernen sie. Sie sind wie kleine Schwämme. Aber immer wieder bekommen sie zu hören: „Lass das, das ist nicht wichtig. Das ist wichtig. Pass auf. „A“ steht für „Apfel“.“ Alles andere wird als unwichtig abgetan. Alle Autoritätspersonen erklären einem ständig, dass die eigene Natur, der eigene Forschungsdrang, keinen Wert hat und unwichtig ist. Alles, was sie uns nicht beibringen, ist kein Lernen.
Kürzlich kam ich zu der überraschenden, aber offensichtlichen Schlussfolgerung, dass Lernen völlig natürlich immer und überall stattfindet, dass Lehren allerdings nicht der natürliche Vorgang ist. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen jener glücklich lebenden Menschen, von denen ich redete, lehren gesehen zu haben. Die jüngeren Kinder lernen von den älteren oder von den Erwachsenen, aber es gibt niemanden, der lehrt. Sie lernen aus eigenem Antrieb, und der ist stark. Man muss nicht nachhelfen – was im Übrigen gar nicht ginge. Tatsächlich gibt es keinen besseren Lernantrieb für ein Kind als den eigenen Wunsch.
Bis wir unser erstes Kind bekommen, sind wir so darauf konditioniert, unseren eigenen Instinkten nicht mehr zu vertrauen, dass wir uns im Krankenhaus von vollkommen Fremden sagen lassen, was wir zu tun haben, und es nicht besser wissen.
Eine tragische Situation, denn wir besitzen ein sehr subtiles Wissen, das uns sagt, wie wir etwas tun sollten. Mütter wissen, dass Kinder ihnen bei der Geburt nicht weggenommen werden sollten, aber sie sind so konditioniert und daran gewöhnt, an Autoritäten zu glauben und nicht an sich selbst, dass sie ihrer eigenen inneren Weisheit zuwider handeln.
Es wurde beschrieben, was wir unter „normal“ verstehen. Stellen wir dem gegenüber, was Sie und ich unter „natürlich“ verstehen würden. Der Säugling weiß, was er braucht, und in dem Augenblick, wo wir ihn absetzen, schreit er. Er lässt uns etwas wissen. Er signalisiert unmissverständlich: „Bitte setz mich nicht ab!“ Und wir verstehen auch ohne Wörterbuch, dass „wa wa wa“ nichts anderes bedeutet als „Hochnehmen, nicht absetzen, nicht allein lassen!“
Bis vor kurzem war es üblich, Säuglinge ohne Narkose zu operieren. Sie schrien, aber das Fachpersonal stritt ab, dass sie vor Schmerz schrien!
Wie können Mütter ihre eigene innere Weisheit verleugnen?
Wie ist es möglich, dass wir uns so weit davon entfernt haben?“
Zitat aus: Michael Mendizza, Joseph Chilton Pearce: „Neue Kinder, neue Eltern“, Arbor Verlag, 2004, S. 90-93.
Artikelbild: Negrito Mother and Baby by Thatched Shelter; Aurora National Park, Luzon, Philippines
Jean Liedloff beschrieb ihre Beobachtungen bei den südamerikanischen Indianern in dem Buch: „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück – Gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit„*.
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Der Teil mit dem Erbrechen stört mich. Ich lege meine Kleine nach Bedarf an und stille aus „weichen“ Brüsten, oft über Stunden immer aus der gleichen Seite, damit genug „Dessert“ kommt. Sie schläft in unserem Ehebett und ich trage sie so viel wie möglich. Sie fordert das ein. Wenn ich sie „ablege“, dann nur wenn sie schläft oder gut drauf ist. Sobald sie anzeigt, dass sie wieder getragen werden will nehme ich sie auf den Arm.
Ich gehe auf ihre Bedürfnisse ein. Und dennoch „kotzt“ mein Kind regelmäßig sich selbst, mich, meinen Mann und alle anderen bei denen sie auf dem Arm ist voll. Manchmal erbricht sie auch erst wenn ich sie hoch nehme, dann weint sie. Liegend wäre sie in dem Moment glücklicher gewesen. Eine Organische Ursache hat der Kinderarzt übrigens ausgeschlossen. Von daher finde ich diese Verallgemeinerung nicht gut. Ich weiß nicht, was ich noch anders machen könnte um meiner Tochter das spucken zu ersparen!