Anlässlich der Weltstillwoche 2021 hat die Regisseurin und Filmemacherin Carola Hauck mich live auf Instagram zum Thema Stillen interviewt.
Wir sprechen in dem Interview über viele verschiedene Aspekte des Stillens, z.B. was eine Stillbeziehung bei der Geburt stören könnte, über die angeborenen Frühreflexe der Babys, die auch Wochen nach der Geburt noch ausgelöst werden und auch dann noch zu einer zufriedenen Stillbeziehung führen können bis hinzu: wie darf und wie kann sich Stillen anfühlen?
Über Stillhütchen sowie den Zusammenhang von Milchstau/Brustentzündung mit Stress.
Gegen Ende geht es um die Rolle der Väter, von deren Haltung es entscheidend mit abhängt, ob Mutter und Kind eine erfolgreiche Stillbeziehung haben.
Und über Sex und Stillen reden wir auch.
Transkript des Interviews:
CH: Hallo! Regine Gresens ist Stillberaterin und Autorin. Du hast das Buch „Stillkinder“ herausgebracht. Ist das richtig, oder?
RG: Mein Buch heißt „Intuitives Stillen“ und „Stillkinder.de“ ist meine Webseite oder auch mein Facebook- oder Instagram-Name.
CH: Also „Stillkinder“ ist da, wo man dich findet bei Google, Facebook und bei Instagram und „Intuitives Stillen“ ist dein Buch. Ja, ich hatte dich spontan gefragt, ob wir ein Live machen können jetzt zur Weltstillwoche.
Seit wann bist du denn Stillberaterin?
RG: Seit 25 Jahren.
CH: Und wie kam es dazu?
RG: Also, ich bin ja Hebamme, eigentlich vom Grundberuf, und habe mich auch schon vor meiner Ausbildung zur Hebamme für Stillen interessiert. Und ja, dann bin ich selber Mutter geworden, vor jetzt fast 28 Jahren. Und das war irgendwie so die Initialzündung Stillberaterin zu werden. Ich hatte zwar selber gar nicht so große Stillprobleme. Mit meinem Baby war nur das Problem, dass es einen angeborenen Herzfehler hatte und mir deshalb empfohlen wurde, damit er operiert werden kann, ihn doch möglichst schnell abzustillen. Und das habe ich so gar nicht eingesehen und mich da einfach irgendwie sehr reingehängt und informiert und gemerkt, wie wenig Fachwissen ich doch trotz meiner Hebammenausbildung hatte und eben auch wie wenig Fachwissen zum Thema Stillen und auch gerade Stillen bei kranken Kindern auch bei dem Fachpersonal vorhanden war und dann habe ich die Ausbildung zur Still- und Laktationsberaterin gemacht.
CH: Und hast du das dann zu deinem Hauptberuf gemacht oder bist du weiterhin auch als Hebamme tätig? Oder warst du tätig und bist jetzt nur noch Stillberaterin oder wie hat sich das gezeigt?
RG: Genau, mittlerweile ist es so, dass ich nur noch Stillberatung mache und nicht mehr als Hebamme tätig bin und auch die Stillberatung, also, ich habe eine Praxis hier. Ich sitze auch gerade in meinem Praxisraum in Hamburg. Aber, das ist nur noch eigentlich eine Nebentätigkeit. Vom Finanzamt her bin ich jetzt hauptberuflich Autorin.
CH: Und wie gestaltet sich dann dein – also, wir machen eine kurze Abzweigung, dann kommen wir zum Stillthema zurück. Wie gestaltet sich dann dein Arbeitsalltag als Autorin? Geht es nur ums Thema Stillen? Wahrscheinlich. Oder geht es auch um andere Themen?
RG: Es geht auch um andere Themen. Ja, ich werde halt angefragt für Fachartikel oder also auch das, was ich auf meinem Blog schreibe, ist ja eine Autorentätigkeit, die mir auch Einnahmen bringt und insgesamt sind die Einnahmen als Autorin, auch über das Buch und ich habe auch noch andere Bücher mitgeschrieben und übersetzt, muss immer mal Vorträge halten. Das ist meine Hauptarbeit ja natürlich sehr abwechslungsreich und sehr vielfältig.
CH: Wie beurteilst du die Hebammenausbildung bezüglich des Stillens? Hat sich da was verändert seit der Zeit deiner eigenen Ausbildung?
RG: Ich hab da natürlich nicht so den unmittelbaren Einblick, weil ich bin ja nicht in der Ausbildung tätig. Ich denke, da hat sich schon einiges verändert. Aber ich glaube, es ist immer noch so, dass es sehr unterschiedlich ist. Je nachdem, wo die Ausbildung stattfindet, wer das Thema Stillen unterrichtet. Wahrscheinlich wäre es schon sinnvoll in der Hebammenausbildung auch noch mehr auf das Thema Stillen einzugehen, weil es ja doch sehr oft Probleme gibt nach der Geburt beim Stillen im Wochenbett. Eigentlich ist mir so klar geworden in der Tätigkeit als Hebamme, dass das die meisten Probleme sind, mit denen ich da auch gearbeitet habe.
CH: Ich lese öfters in Mütterblogs und -seiten auf Facebook, dass sogar Hebammen Sachen raten wie: Lass das Kind ruhig schreien, Still nach der Uhr und nicht nach den Bedürfnissen des Kindes. Wie kommt es denn, dass so etwas immer noch präsent ist – anscheinend auch in der Lehre? Das muss ja auch irgendwann mal ausgemerzt sein – dieses alte Wissen oder alte Glauben.
RG: Ich glaube, in der aktuellen Lehre wird so etwas nicht mehr unterrichtet oder das hoffe ich zumindest sehr. Aber es gibt ja Hebammen, die einfach auch schon lange im Beruf sind und sich dann vielleicht auch nicht unbedingt gerade auf diesem Gebiet fortgebildet haben. Oder auch sehr viel von ihren eigenen Stillerfahrungen mit ihren Kindern einfließen lassen in ihre Beratung. Und wenn man das nicht hinterfragt und nicht aktuell sich informiert oder Fortbildungen zu diesem Thema besucht, weil man denkt, ich weiß das ja alles, ich bin ja schon seit 30 Jahren Hebamme, dann kommt das eben leider vor.
CH: Hier sind gerade zwei Fragen reingekommen. Ich lese die mal gerade vor: Mir wurde ein Hütchen gegeben und in einer Stillgruppe wurde mir gesagt, dass das Nuckeln am Anfang gut ist, da es die Milch anregt und es nicht schlimm ist, dass das Saugen weniger ist. Verstehe ich die Frage? Verstehst du die Frage oder ist das ist nur Aussage?
RG: Ich kann es auch ein bisschen lesen. In einer Stillgruppe wurde mir gesagt, dass das Nuckeln am Anfang gut ist, da es die Milch anregt und es nicht schlimm ist, dass das Saugen weniger ist.
CH: Und wenn sie vielleicht nebenher Nuckeln als Saugen die Babys und geht es da um Stillhütchen?
RG: Genau, diese Silikonhütchen, die ja oft eingesetzt werden, wenn das mit dem Anlegen nicht gleich so gut klappt oder auch bei wunden Brustwarzen, um die Schmerzen etwas zu lindern. Weil das so eine Barriere darstellt. Aber es ist so, dass eben natürlich auch die Stimulation weniger ist durch so ein Hütchen an der Brustwarze und die Kinder eventuell auch die Milch nicht so gut aus der Brust heraus holen können. Und wenn die Brust nicht so gut geleert wird oder wenn überhaupt nicht so viel Milch fließt, dann saugt das Kind natürlich auch weniger und schluckt weniger, weil es einfach weniger bekommt. Und wenn die Brüste nicht gut geleert werden, geht mittelfristig auch die Milchmenge zurück. Deswegen sind die meisten Stillberaterinnen eigentlich sehr skeptisch den Stillhütchen gegenüber und diesem manchmal sehr vorschnellen Einsatz von Stillhütchen. Es gibt Frauen, die kriegen schon im Kreißsaal ein Stillhütchen verpasst, weil das Kind eben nicht gleich die Brustwarze erfassen kann oder konnte. Und das ist natürlich sehr schwierig mitunter, weil es dann auf diese Super-Brustwarze geprägt wird und sich mit der kleinen, weichen und vielleicht flachen Brustwarze seiner Mutter dann besonders schwer tut.
CH: Ich habe schon von Frauen gehört, dass ihnen gesagt wurde – also eigentlich auch im Kreißsaal: Sie haben so flache Brustwarzen, das wird nichts mit dem Stillen. Da brauchen wir gar nicht anlegen – so ungefähr. Was sagst du dazu?
RG: Das ist natürlich Quatsch. Das Baby kommt ja nicht mit einer bestimmten Vorstellung auf die Welt, wie die Brustwarze zu sein hat – also wie breit und wie lang und so weiter. Sondern die Neugeborenen sind absolut flexibel und stellen sich dann schon auch auf das ein, was sie bei ihrer Mutter vorfinden. Es hängt mehr von der Anlegetechnik ab, ob das Baby genug Brust in den Mund bekommt, weil die saugen oder trinken nicht an der Brustwarze, sondern sie müssen die Brust im Mund haben. Und dann bilden sie im Mund – praktisch aus dem Warzenhof formen sie sich so eine Zitze. Das wird wirklich ein bisschen lang gezogen. Und diese Zitze aus dem Warzenhof hat eben eine Spitze. Das ist die Brustwarze, die ist vielleicht drei Millimeter oder fünf Millimeter oder zwei Zentimeter lang. Aber das ist ja nur die Spitze der Zitze, das ist wirklich nicht entscheidend.
CH: Das ist gut mal zu hören.
RG: Wichtig ist wirklich, dass gleich viel Brust in den Mund des Kindes kommt und die Brustwarze auch möglichst weit hinten in seinem Mund landet.
CH: Das heißt, eigentlich bräuchte es für alle Hebammen, die im Kreißsaal arbeiten, so ganz bestimmte Schulungen, dass dieses Anlegen also dann besser funktioniert? Weil es ist ja offensichtlich, dass es nicht immer so optimal läuft, sonst würden nicht so viele entzündete Brustwarzen entstehen und Frauen Stillprobleme haben.
RG: Genau, das hängt eben sehr damit zusammen, dass Müttern heute auch möglichst schon am ersten oder zweiten Tag nach der Geburt – noch auf der Wochenstation – verschiedene Stillpositionen gezeigt werden sollen. Wie sie sitzen mit dem Kind auf einem Stillkissen vor dem Körper oder in der Seitenlage liegend und das sind eigentlich alles Positionen, in denen es schwierig oder schwieriger ist das Kind anzulegen. Ich sage immer, das sind eher die Positionen für die Fortgeschrittenen. Die Anfängerposition ist eigentlich einfach eine bequem zurückgelehnte Haltung der Mutter mit dem Neugeborenen oder dem Baby auf ihrem Oberkörper liegend. Bäuchlings – so dass es einen ganz engen Körperkontakt zwischen beiden gibt und die angeborenen Frühreflexe des Neugeborenen ausgelöst werden durch die Berührung an der Körpervorderseite und es dann eben auch mit Hilfe dieser Reflexe eigenständig die Brust findet und auch erfassen kann. Und wenn sich die beiden erst mal an diese Position gewöhnt haben und das Baby viel Brust im Mund hat, kann man später eben auch die fortgeschritteneren Positionen einnehmen. Aber das muss der Frau nicht gleich als erstes auf der Wochenstation gezeigt werden, weil davon wird sie eher verwirrt und frustriert, weil es eben nicht so gut funktioniert. In diesen aufrechten Positionen kann das Kind nämlich nicht so aktiv mitarbeiten und seine Frühreflexe stören dann häufig sogar eher.
CH: Und es wird schon bei diesem ersten Stillen so eine Art Prägung angelegt? Wurde mir mal erklärt, Prägung ist vielleicht zu stark.
RG: Wenn das Baby als erstes lernt mit so einem Stillhütchen satt zu werden, wird es natürlich auch später nach diesen Stillhütchen suchen, wenn es hungrig ist. Und wenn die Mutter dann dieses Stillhütchen nicht einsetzt, weiß das Kind mitunter gar nichts mit der nackten normalen Brustwarze anzufangen und nimmt sie nicht in den Mund und fängt nicht an daran zu saugen, weil es ist ja schlau. Es weiß ja schon, ich werde satt, wenn diese Silikonspitze kommt und die sucht es und ja da verzweifeln die Babys und die Mütter oft auch sehr. Deswegen ist das problematisch, wenn wirklich schon ganz am Anfang ein Sauger oder ein Stillhütchen zum Einsatz kommt.
CH: Meine Meinung, die Hebammenausbildung war und ist noch immer ziemlich schlecht. Natürlich ist das von Bundesland zu Bundesland und Schule zu Schule unterschiedlich. Okay, ich lass das jetzt mal so stehen. Ich kommentiere das nicht, weil ich kann das nicht beurteilen. Ich kann die einzelnen Hebammenschulen nicht beurteilen.
RG: Ich kann das auch nicht beurteilen.
CH: Mir hat mal eine Stillberaterin gesagt, dass es eigentlich gut wäre, wenn die Paare – also nicht nur die Mütter, sondern die Paare – sich so um die zwanzigste Woche herum in der Schwangerschaft mit dem Thema Stillen auseinandersetzen würden. Gehst du da auch d’accord, dass es vor der Geburt gut ist sich damit auseinanderzusetzen?
RG: Ja, auf jeden Fall.
CH: Und womit genau und im Speziellen kann sie sich denn da auseinandersetzen? Was sollte sie im besten Fall schon wissen bei der Geburt, weil danach wird ja das Kind angelegt und dann geht es ja eigentlich los mit dem Stillen?
RG: In den Geburtsvorbereitungskursen, die ich als Hebamme gegeben habe, habe ich auch immer einen Abend zum Thema Stillen gemacht. Da waren auch die Männer mit dabei. Das war mir auch wichtig. Es gibt auch Kurse, da wird es dann nur mit den Frauen gemacht und die Männer sind dann an dem Abend nicht dabei. Aber das finde ich tatsächlich sehr unglücklich. Weil der Mann ist ja eigentlich immer der erste Ansprechpartner der Frau, wenn sie dann wieder zuhause ist. Die Hebamme kommt ja nur einmal am Tag und irgendwann auch nicht mehr täglich. Von daher sollten die Männer schon auch gut Bescheid wissen und auch dahinterstehen und das Stillen unterstützen. Ich habe in meinen Kursen den Leuten immer gesagt, wenn ihr bitte eine Sache mitnehmt von diesem Abend hier heute, dann ist das die Botschaft: Stillen darf nicht wehtun! Schmerzen beim Stillen sind nicht normal, sondern sind ein Zeichen dafür, dass hier irgendetwas nicht in Ordnung ist, dass hier gerade eine Verletzung passiert. Und wenn man diese Schmerzen nicht ernst nimmt, sondern die Zähne zusammenbeißt oder Schmerzmittel nimmt oder sich am Sessel festkrallt und weint. Es gibt ja die schlimmsten Geschichten, was Mütter dann machen, weil ihnen immer gesagt wird: Das tut am Anfang weh und das hört irgendwann auf. Aber da musst du durch und so weiter…
Also, mir war das Wichtigste, dass sie wirklich verstehen, Schmerzen sind ein Warnsignal und müssen ernst genommen werden. Sonst werden die Brustwarzen eben sehr schnell wund und dann wird natürlich jedes Anlegen schmerzhaft und es braucht lange, bis solche Wunden dann wieder verheilt sind und sich das Stillen irgendwie gut eingespielt hat. Und meist ist es eben dann auch noch so, wenn die Brustwarze nicht tief genug im Mund des Kindes ist, kann es auch gar nicht die Brust so effektiv entleeren und wird eben möglicherweise gar nicht satt, nimmt nicht genügend zu und die Milchbildung wird nicht richtig angeregt. Also da kommt dann wirklich gleich noch so ein Rattenschwanz an Folgen hinterher und ja das geht dann schnell in eine Abwärtsspirale, die wirklich auch nicht selten zum vorzeitigen Abstillen führt.
CH: Das tun ja – statistisch gesehen – sehr viele. Wenn ich mir angucke, wie das Handling ist im Kreißsaal, darüber haben wir ja eben schon gesprochen. Das ist ja das eine, also da sind schon relativ viele Störfaktoren. Einfach, wie macht die Hebamme das. Ein zweiter Störfaktor – potenzieller oder der potenzielle Störfaktor ist die Hebamme, aber vielleicht macht sie es ja auch richtig. Und der andere Störfaktor ist das Stillhütchen. Dann haben wir noch gar nicht über diese ganzen anderen Störungen der Stillbeziehung gesprochen, die nämlich eigentlich während der Geburt stattfinden. Dadurch dass die Frau dann unter Medikamenteneinfluss ist, vielleicht einen Kaiserschnitt hat, vielleicht die Plazentageburt forciert wird, vielleicht der Dammschnitt versorgt werden muss, vielleicht muss sie ausgeschabt werden oder das Kind wird weggenommen zum Kinderarzt. Gewaschen wurde es ja früher gleich: gewaschen, gefönt, gewickelt. Diese ganzen Störungen, die unterbrechen ja eigentlich diese Beziehung? Das sollte ja eigentlich nahtlos ineinander übergehen: Geburt und dann Bonding und Stillen. Das ist meine Idealvorstellung.
RG: Genau, so ist eigentlich der natürliche Verlauf nach der Geburt. Bei allen Säugetieren ist es ja so, dass nach einer gewissen Zeit das Junge anfängt die Brust zu suchen oder die Zitze zu suchen und sich da andockt und dann saugt und die Milchbildung in Gang kommt. Das zu unterbrechen oder eben zu stören ist sehr unglücklich. Es ist nicht so, dass da bei uns dann das Kind in den Brunnen gefallen ist und man nichts mehr retten kann, aber es erschwert einfach den Beginn der Stillbeziehung.
CH: Was würdest du denn zum Beispiel raten, wie das Stillen beim Kaiserschnitt von statten gehen kann? Was sind so die ersten Momente?
RG: Wenn es dem Neugeborenen gut geht, kann es auch beim Kaiserschnitt direkt auf den Oberkörper der Mutter gelegt werden und nur mit warmen Tüchern abgedeckt werden. Da muss ja eigentlich nicht sofort das Kind irgendwohin gebracht werden, damit der Kinderarzt es absaugen kann und so. Sondern diese erste Untersuchung oder die Erstversorgung, wenn es dem Kind nicht wirklich schlecht geht – direkt nach der Geburt – kann ja auch auf dem Körper der Mutter passieren. Wenn es nicht zu viele Medikamente unter der Geburt gegeben hat, fangen auch die Kinder nach dem Kaiserschnitt an dieses angeborene Programm zu durchlaufen und nach der Brust zu suchen und sich daran anzudocken. Das kann auch schon im Op stattfinden.
CH: Würde man das auch machen bei einer Frau, die in Vollnarkose ist, damit das Kind die Stillbeziehung beginnen kann?
RG: Da bin ich ehrlich gesagt überfragt, ob das gemacht wird oder ob das angedacht ist. Ich glaube da wird tatsächlich dann eher das Kind erst mal zum Vater gebracht und dem auf den Körper gelegt, dass es da ein Bonding haben kann. Und wenn die Mutter dann – aus dem Op zurück ist – im Kreißsaal und auch wieder wach und ansprechbar ist, dann kann wieder gestillt werden. In dem Moment, wo sie noch in Narkose ist, hat sie ja auch noch sehr viel Narkosemittel im eigenen Blutkreislauf und die soll das Baby ja nicht abgekommen – deswegen wird es ja auch schnell rausgeholt.
CH: Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen. Aber selbst, wenn die Mutter dann aufgewacht ist, ist ja das Narkosemittel noch nicht unbedingt ausgeschieden. Wie verhält sich denn das Narkosemittel zu Flüssigkeiten, die fetthaltig sind, wie Milch? Diffundiert das dann nicht in die Milch rein? Die Milch wird ja in der Brust gesammelt. Es ist ja nicht so, dass diese dann wie im Blutkreislauf die ganze Zeit wieder erneuert wird.
RG: In dieser Situation – unmittelbar nach der Operation oder direkt nach der Geburt – sind ja noch nicht so große Mengen im Körper der Mutter. In der Brust ist ja erst mal nur das Kolostrum. Und es sind auch nicht die Riesenmengen, die die Neugeborenen sich dann ausholen. Und generell ist es so, dass eine Mutter dann wieder ihr Baby anlegen kann, wenn sie wach genug dafür ist. Dann sind auch die Narkosemittel soweit wieder aus dem Körper heraus, dass das für das Kind nicht irgendwie problematisch ist
CH: Und was ist mit den Versorgungen von zum Beispiel dem Dammschnitt? Da ist die Mutter ja wach und wird dann genäht. Es kann ja sein, dass das dann alles auch zu viel ist. Überall zuppelt jemand an ihr rum und das Kind liegt dann auch noch auf ihr drauf. Wie wäre da eine Vorgehensweise?
RG: Wenn man es dem Kind überlässt, ist es meistens so, dass die auch nicht unmittelbar nach der Geburt anfangen an der Brust zu saugen. Üblicherweise haben sie so innerhalb von einer Stunde die Brust gefunden und erfasst und fangen dann an zu saugen. Und nach Möglichkeit sollte dann die Mutter auch soweit versorgt sein, dass sie sich dann auch darauf einlassen kann und aufs Kind konzentrieren kann. Das ist natürlich im Kreißsaal nicht immer so möglich. Manchmal sind so viele Geburten gleichzeitig, dass auch eine Dammnaht erst nach anderthalb Stunden versorgt werden kann, weil zwischendurch noch ein Kaiserschnitt oder eine andere Geburt ist. Da muss dann die Hebamme oder eben auch die Ärztin oder der Arzt erst mal dort dabei sein und begleiten und dann wird eine Mutter, die ihr Kind schon hat, einfach erst einmal in Ruhe gelassen und erst später versorgt.
CH: Wenn die Mutter zur Ausschabung wegen der Plazenta oder Geweberückständen, möglichen oder Verdacht auf… Dann würde es ähnlich stattfinden wahrscheinlich wie beim Kaiserschnitt?
RG: Genau, wenn sie wieder wach ist.
CH: Wir sehen ja inzwischen die Geburt auch als so eine Reise. Die erste Reise, wo sich dann eigentlich so ein bisschen prägt, wie Kinder durchs Leben gehen, also kann so beeinflussend sein. Werden sie aus dem Schlaf gerissen, durch den Bauch bezogen oder dürfen sie selbst Datum und Uhrzeit wählen und sich dann selbst durcharbeiten mit Hilfe der Mutter mit der Wehentätigkeit. Wird es dem stattgegeben, dass sie sagen: Ist gerade zu viel, ich brauch eine Pause, ich mach mal eine Pause und mach dann zwei Stunden später weiter oder wird dann mit Wehenmitteln forciert und so weiter. Jetzt ist meine Frage: Wenn das ja normalerweise in der Natur so wäre, dass die Frau das Kind geboren hat, möglicherweise in der Hocke oder seitlich oder im Vierfüßlerstand. Dann würde sie das Kind irgendwann aufnehmen und warten bis die Plazenta geboren wird. Aber schon natürlich das Kind auf sich haben und das Kind würde vielleicht schon anfangen die Brust zu suchen. Wenn das jetzt alles unterbrochen ist, hast du so den Eindruck oder gibt es da Erfahrungen, ist es etwas, was dem Kind dann fehlt? Oder kann man das eigentlich überhaupt nicht untersuchen, ob das den Kindern fehlt?
RG: Also dazu kann ich eigentlich nicht so wirklich was sagen. Das weiß ich nicht, ob es da Untersuchungen gibt. Was ich sagen kann, ist dass die Reflexe – bei den Neugeborenen werden ja Reflexe ausgelöst, die das Stillen sicherstellen. Und diese Reflexe sind nicht nur nach der Geburt – in der ersten Stunde oder in den ersten 24 Stunden – vorhanden und auslösbar, sondern sie sind monatelang aktivierbar. Wenn das eben am Anfang nicht möglich war, direkt das Baby die Brust finden zu lassen, dann kann man das auch noch Wochen später nachholen. Das klappt dann auch – nicht immer. Wenn Mütter zu mir in die Praxis kommen, ist das eigentlich immer – die kommen ja, weil sie wirklich massive Stillprobleme haben und für mich ist es immer wichtig zu beobachten, wie verhält sich das Kind, wenn es auf dem nackten Oberkörper der Mutter mit dem Gesicht in der Nähe der Brüste liegt. Und ich habe es wirklich schon etliche Male erlebt, dass selbst Babys, die bis dahin noch nie die Brust der Mutter genommen haben und noch nie daran getrunken haben, das dann gemacht haben im Alter von sechs Wochen oder so. Das liegt tatsächlich dann vor allem an dieser Position – auf dem Körper der Mutter liegend und dann werden eben die Reflexe ausgelöst. Reflexe lassen sich ja nicht unterdrücken, die sind auch dazu da um das Überleben des Neugeborenen oder des kleinen Säugetierneugeborenen sicher zu stellen.
CH: Also ich stelle mir das immer vor, dass dann die Natur das irgendwie so eingerichtet hat, dass selbst wenn die Frau dann da liegt und vielleicht sehr kraftlos ist oder auf dem Rücken liegt und das Kind aber so auf dem Bauch hat, dass selbst dann – selbst wenn die Frau ohnmächtig wäre oder sogar wenn sie sterben würde – Trigger. Aber das ist ja nun einmal so auch in der Natur. Kann ja sein, dass sogar dann das Kind sich noch ernähren kann und dann ist da noch Hilfe in der Nähe, weil eben meistens Menschen ja in Gruppen leben.
RG: Bei den Säugetieren generell ist es so, dass die Jungen das Saugen initiieren. Darum bringen sie die angeborenen Reflexe mit, sie initiieren das und die Mutter muss dafür eigentlich gar nicht viel wissen und sie muss auch nicht viel tun. Eigentlich kann das Neugeborene das alles komplett alleine machen, wenn es in dem richtigen Setting – also auf dem Bauch liegend – passiert und es auch Hunger hat und nicht irgendwie noch betäubt ist von Medikamenten, die die Mutter bekommen hat. Das Junge oder das Baby initiiert das Stillen und die Mutter beendet es. Das ist auch bei den Tieren so, die stehen dann auf und gehen weg und das Junge lässt los oder trappelt hinterher. Die Jungen oder die Babys initiieren und die Mutter beendet.
CH: Also beim Stillen warten dann Mütter nicht, bis das Kind fertig getrunken hat, sondern beenden das von selbst?
RG: Ja, natürlich können sie das machen. Das ist in der Natur doch genauso mit den Tieren. Wenn das Junge noch nicht satt ist, dann versucht es eben bei der nächsten Gelegenheit wieder an die Zitze zu kommen und genauso kann das auch mit unseren Babys laufen. Also, wenn eine Mutter am stillen ist und es klingelt an der Tür, kann sie natürlich aufstehen, das Kind abnehmen und zur Tür gehen oder sie geht mit Kind an der Brust zur Tür. Das machen auch manche. Es ist nicht so, dass man das nicht unterbrechen darf.
CH: Was du aber sagst, dass das sogar Wochen und Monate später noch ausgelöst wird, ist ja eigentlich eine gute Neuigkeit für all die Frauen, die vielleicht im Krankenhaus sind, weil vielleicht etwas Schwereres vorgefallen ist bei der Geburt und die vielleicht erst nach ein paar Wochen rauskommen. Und dann haben die vielleicht noch überhaupt keine Stillbeziehung aufbauen können und dann ginge es trotzdem noch. Und nehmen die Kinder das denn an, weil sie haben ja dann wahrscheinlich die Flasche gekriegt?
RG: Da muss man immer sehen. Manchmal klappte es auf Anhieb, wenn es eben in dieser Position ist. Manchmal klappt es beim zehnten Versuch und manchmal klappt es auch nicht mehr. Das weiß man irgendwie nicht. Aber man kann nicht sagen, wenn es in den ersten fünf Tagen nicht geklappt hat, wird es nix mehr oder so, dass stimmt einfach nicht.
CH: Das sind ja gute Neuigkeiten, finde ich. Und wie wäre es, wenn es sozusagen eine Amme gäbe? Das gab es ja früher ganz viel in gewissen Kreisen – Ammen, das waren dann die, die ausschließlich das Kind gestillt haben. Gäbe es eine Irritation oder ist es für ein Kind überhaupt kein Problem, wenn die eigene Mutter oder die Tante oder eine gute Freundin dann auch mal stillt? Angenommen die Mutter muss ins Krankenhaus – irgendwas ist eben: Fuß gebrochen, Op und dann will sie gerne, dass das Kind weiter mit Muttermilch versorgt wird. Gut, jetzt könnte man natürlich abpumpen, hin und her fahren – war aber zum Beispiel zu Coronazeiten überhaupt nicht möglich und wissen wir nicht, wie das jetzt weiter. Das sind dann so Spezialfälle, die aber dann immer die Leute in Not treffen. Könnte aber eine andere Frau, die ein Kind hat und ordentlich Milch, das Kind auch an die Brust anlegen?
RG: Ja, das passiert auch häufiger. Das ist natürlich in unserer Gesellschaft nicht so üblich, aber es gibt immer wieder Frauen, Freundinnen, Nachbarinnen oder Schwestern, die gegenseitig ihre Kinder gestillt haben in so einer Notfallsituation oder auch einfach, weil sie das sich so gewünscht haben. Oder das so machen wollten, sich da gegenseitig unterstützen wollten. Ich denke auch, da sind die Babys vielleicht einfach auch ein bisschen unterschiedlich. Wenn sie das überhaupt nicht kennen und sie sind schon älter, dann werden sie vielleicht nicht unbedingt bei einer anderen Frau an die Brust gehen. Aber ganz junge Babys machen das schon eher und sind da – wie soll ich sagen – noch nicht so sehr auf ihre Mutter ausgerichtet. Bei Naturvölkern oder auch in Urzeiten – in der Steinzeit – als es noch so Sippen gab – Gruppen von Frauen, die zusammen gelebt haben, haben mit Sicherheit ihre Kinder gegenseitig auch gestillt, während eine oder mehrere gearbeitet haben, irgendwas gesammelt haben. Es ist eher in unserer Gesellschaft einfach nicht üblich.
CH: Mich interessiert ja immer die Physiologie und meine Fragen gehen immer Richtung Physiologie, weil ich finde, das ist dann letzten Endes Privatsache. Die Gesellschaft findet ja auch ganz oft – oder ein Teil der Gesellschaft – das Stillen völlig obszön ist in der Öffentlichkeit. Aber wir sehen überall nackte Brüste oder halbnackte Brüste – Milchbars dargestellt von Frauen – aber als Sexualobjekt. Das ist in unserer Gesellschaft normal, aber die Brust als Nahrungsquelle für das Kind ist „obszön“. Deswegen sind meine Fragen eher in Richtung Physiologie. Wäre es grundsätzlich möglich, damit die Frauen und Männer, die das Video sehen, da auch so ein bisschen Freiheit und Entlastung finden. Denn letzten Endes ist es, finde ich, dann ihre Privatsache, wie sie es machen.
RG: Ein Punkt ist vielleicht schon noch wichtig dazu zu sagen. Es gibt natürlich immer auch ein Infektionsrisiko. Jetzt gar nicht irgendwie mit COVID-19, sondern auch generell. Wenn Körperflüssigkeiten oder sehr enger Körperkontakt stattfindet, kann natürlich auch eine Infektion – also ein Schnupfen oder was auch immer – übertragen werden. Und wenn Frauen sich eben überlegen, wir können doch gegenseitig unsere Kinder auch mal stillen. Passt du einen Tag auf sie auf und ich pass einen Tag auf sie auf. Dann sollten sie sich eben auch darüber Gedanken machen, wie sie dieses Thema Infektionsgefahr dann regeln wollen, weil oft wird darüber nicht nachgedacht und wenn es dann zu einer Übertragung von irgendwelchen z.B. Herpesviren oder – irgendetwas kann da ja auch übertragen werden und ein Baby kann dann erkranken und ja dann gibt es da unter Umständen Schuldgefühle, Vorwürfe, vielleicht auch irgendwie rechtliche Streitigkeiten. Da muss man dann vielleicht auch mal offen darüber sprechen.
CH: Wichtiger Punkt. Kann denn der Herpes-Virus über die Milch übertragen werden?
RG: Der wird nicht über die Milch übertragen, sondern der wird nur über das Sekret in den Bläschen übertragen und ist eben dann gefährlich für Neugeborene, wenn die Mutter keinerlei Antikörper dem Kind schon als Nestschutz mitgegeben hat. Für sie kann eine Herpesinfektion sehr gefährlich sein
CH: Ich frage deswegen nach, weil ja ganz ganz viele den Herpes Zoster haben, den ganz normalen, der sich an Mund oder Nase zeigt. Dass der hochgefährlich ist für Kinder ist klar. Aber nicht alleine diesen zu haben, ist gefährlich, sondern eben nur, wenn sich akut Bläschen bilden und dann eben das Sekret daraus. Also da muss man sowieso jedem sagen in so einem Fall.
Was würdest du sagen, wenn eine Mutter selbst durch diese physische und psychische Anstrengung – interessanterweise kommt der Herpes erst ganz gerne zum Blühen, wenn das psychisch belastend wird. Würdest du dann sagen, lieber Kind abstillen und mit der Flasche füttern, damit es nicht so nah am Körper ist? Oder der Mund darf nicht dran?
RG: Genau, es darf nicht in Kontakt kommen mit diesem Sekret aus den Bläschen. Wenn es ein Herpes auf der Brustwarze ist – das gibt es auch – oder nah an der Brustwarze, dann sollte dort nicht angelegt werden, sondern die Milch abgepumpt und verworfen werden, also auch nicht gefüttert werden, weil es wird sich ja auch Sekret beim Abpumpen mit der Milch vermischen. Aber ansonsten muss nur dafür gesorgt werden, dass kein Kontakt mit dem Sekret aus den Bläschen möglich ist.
CH: Jetzt habe ich noch eine andere Frage und zwar dieses – nennt sich das jetzt auch Tandemstillen – wenn eine Frau zwei oder drei Kinder hat, die alle noch gestillt werden im unterschiedlichem Alter – keine Drillinge, keine Zwillinge im unterschiedlichen Alter, also sagen wir mal 0 und 2 und 4 zum Beispiel. Jetzt ist es doch aber so, dachte ich, gehört oder gelesen zu haben, dass sich die Zusammensetzung der Milch nach dem Bedarf des Kindes richtet. Und dass sich auch Antikörper im Körper der Mutter bilden, wenn sie durch diese Brust-Mund-Kommunikation feststellt oder ihr Körper feststellt, da bildet sich eine Krankheit, eine Krankheit ist im Anmarsch oder das Kind braucht jetzt dieses oder jenes. Dass die Milch sich entsprechend zusammenstellt, dass sie entweder mehr Fett oder mehr Flüssigkeit enthält, je nachdem wie hungrig das Kind ist, was es braucht, welche Signale es sendet und auch wie das Wetter ist. Aber wie funktioniert das denn, wenn drei Kinder oder – sagen wir mal nur zwei – da beteiligt sind? Das funktioniert dann ja nicht, oder?
RG: Die Milchzusammensetzung richtet sich eigentlich immer nach dem jüngsten Kind. Andererseits, was du gerade gesagt hattest, mit wasserhaltigerer und fetthaltigerer Milch, das hängt eher mit dem aktuellen Leeregrad der Brust zusammen. Aus einer vollen Brust bekommt das Baby immer erst die wasserhaltigere Milch, die seinen Durst löscht, und je mehr die Brust sich dann entleert, desto mehr steigt gegenläufig der Fettgehalt an, so dass die Milch immer reichhaltiger wird und das Kind auch ordentlich Kalorien bekommt und ein Sättigungsgefühl einsetzt. Und die Antikörper oder die Abwehrstoffe, die der mütterliche Körper bildet, die werden ja nicht nur durch den Mund-Brust-Kontakt initiiert oder angeregt, sondern natürlich auch durch alle anderen Einflüsse. Also wenn da irgendwie eine Krankheit im Raum ist oder viele Erreger im Raum sind, weil die älteren Geschwisterkinder etwas aus dem Kindergarten mit nach Hause geschleppt haben. Das kommt ja häufig vor. Dann nimmt die Mutter natürlich auch diese Erreger auf, vielleicht auch über ihre eigenen Atemwege und bildet Abwehrkörper, die sie dann aber auch über die Milch noch mal verstärkt dem Säugling abgibt und da werden dann alle drei Kinder schön mit mütterlichen Antikörpern aus der Muttermilch versorgt. Da unterscheidet der Körper nicht, sondern das ist dann wirklich generell so. Sie bildet mehr Antikörper in ihrem Kreislaufsystem – in ihrem Blut – und die kommen über die Milch bei allen Kindern an.
CH: Wie viel ist denn da pro Mahlzeit drin? Wonach richtet sich das? Wie reguliert das der Körper? Und wie viel ist da pro Brust? Also trinkt jetzt ein Kind pro Mahlzeit eine Brust leer und dann wenn es dann die nächste Mahlzeit will, die nächste Brust? Oder soll die Mutter dafür sorgen, dass das Kind an beiden gleichzeitig trinkt? Aber dann würde es ja vor allem nur den wässrigeren Teil bekommen und vielleicht ist es dann ja satt. Und dann ist ja der fetthaltigere Teil noch drin, wenn ich das richtig verstanden habe. Was rätst du da?
RG: Also jetzt reden wir wieder von den Einlingen. Tandem-Stillen und Tridem-Stillen ist jetzt abgeschlossen.
Es ist so: In den ersten Tagen, wenn noch nicht so viel Milch in den Brüsten ist und die Milchbildung erst mal richtig auch angeregt werden muss, ist es schon sinnvoll, dem Baby jedes Mal beide Brüste zu geben – nach Möglichkeit. Später, wenn sich die Milchmenge eingespielt hat, hängt es eher davon ab welche Speicherkapazität hat die einzelne Mutter in ihren Brüsten. Da gibt es einfach Unterschiede. Es gibt Frauen, die haben nur eine geringe Speicherkapazität. Da kann sich einfach nicht so viel Milch ansammeln, die das Kind aus einer Brust trinken kann. Deswegen müssen diese Frauen dann meistens auch jedes Mal beide Brüste geben und haben vielleicht auch rund um die Uhr sehr häufige Stillzeiten mit ihrem Kind. Dann gibt es Frauen, die haben eben so eine mittlere Speicherkapazität. Sie haben dann schon ein bisschen größere Abstände und da trinkt das Kind manchmal eine Brust, manchmal aber auch beide. Und dann gibt es Frauen, die haben eine große Speicherkapazität und da werden die Kinder fast überschüttet mit Milch und schaffen es auch nicht bei einer Mahlzeit diese eine Brust überhaupt leer zu trinken. Sie sollen möglichst schon an diese fetthaltigere Milch herankommen und da kann man dann unter Umständen auch die gleiche Brust noch mal wieder anbieten. Wenn es darum geht, die Milchmenge zu steigern, weil zu wenig da ist, wäre es immer gut dem Kind jedes Mal beide Brüste zu geben, damit beide Brüste auch möglichst gut entleert werden. Vielleicht gibt man auch noch mal die dritte und die vierte, also jede Brust zweimal. Weil die Anregung für die Milchbildung immer dann am stärksten ist, wenn die Brust am leersten ist. Dann arbeiten die Milchbildungszellen wie verrückt, um schnell wieder Nachschub herzustellen. Also wenn angeregt werden soll – mehr Milch gebildet werden soll – dann immer beide Brüste geben, immer die Brüste gut leer machen. Wenn das Kind sie nicht geleert hat, vielleicht noch mal von Hand hinterher leeren oder mit einer Pumpe leeren. Und wenn man aber auf der anderen Seite zu viel Milch hat und die Milchbildung reduzieren möchte, dann sollte man die Brüste nicht so oft gründlich entleeren. Sondern dann ist es eher sinnvoll, dass sich da auch mal die Milch drin sammelt und es ein bisschen anfängt zu spannen, weil dann der Körper das Signal bekommt weniger Milch zu produzieren.
CH: Hast du denn noch Ergänzungen zu dem Tandem-Stillen oder mehrfach Stillen gehabt? Weil du gesagt, jetzt sind wir wieder beim Einzelkind.
RG: Ich wollte das nur klarstellen, dass es jetzt eben darum geht. Ja, stimmt, habe ich nicht gemacht.
CH: Jetzt eine Frage. Da frage ich mich, ob das ein Ammenmärchen oder ein Mythos ist. Und zwar habe ich mal gelesen – das ist ein ganz altes Buch gewesen – dass die Frauen entzündete Brustwarzen gut schützen könnten gegen den Stoff mit Walnuss-Schalen, leeren Walnuss-Schalen. Also da gibt es ja wahrscheinlich inzwischen ganz moderne Sachen dafür, braucht man ja nicht unbedingt. Aber wo ich dich fragen wollte: Ist das jetzt ein Ammenmärchen oder ist es richtig, dass Frauen ihre Brüste aufs Stillen vorbereiten könnten, indem sie ohne BH rumlaufen oder vielleicht sogar mit dem Frotteetuch ein bisschen schrubbeln. Ist das notwendig, ist das sinnlos, ist das Quatsch oder ist das gut?
RG: Also die Brustwarzen müssen nicht abgehärtet werden, damit sie nicht wund werden, wenn das Baby daran saugt. Darum geht es ja eigentlich bei diesen Empfehlungen. Man soll die irgendwie ein bisschen abhärten. Das funktioniert aber nicht. Brustwarzen bilden keine Hornhaut. Sie müssen nicht abgehärtet werden. Es kommt wirklich eher darauf an, dass dem Baby mit einer guten Technik von Anfang an viel Brust in den Mund gegeben wird und die Schmerzen ernst genommen werden. Weil wenn es Schmerzen beim Stillen gibt, ist es immer ein Signal dafür, dass da irgendetwas nicht in Ordnung ist. Brustwarzen abhärten muss nicht sein. Und von Walnuss-Schalen auf die Brustwarzen legen, habe ich – ehrlich gesagt – noch nie gehört. Ich habe schon gehört von Muscheln und Schneckenhäusern, Silberhütchen oder Zinnhütchen – gibt es auch noch, dass die die Wundheilung unterstützen sollen. Aus meiner Sicht sind all diese Ratschläge eigentlich dem geschuldet, dass oft einfach nicht richtig gut angelegt wird. Und es gibt auch deswegen so viele verschiedene Salben und Cremes und Kompressen und Hütchen und so weiter, weil das alles nicht wirklich hilft, wenn die Ursache nicht gelöst wurde. Darauf kommt es an. Man muss schauen, warum sind diese Brustwarzen überhaupt wund geworden, was muss da verändert werden. Und wenn dann mit einer besseren Anlegetechnik die Brustwarze tief genug in den Mund gelangt, dann tut es erstens einmal sofort nicht mehr weh. Jedenfalls ist es nicht so ein heftiger, scharfer Schmerz, sondern vielleicht so ein leichter, dumpfer Schmerz, den man eben dann hat, wenn es irgendwo eine Wunde gibt. Die ist dann nun mal empfindlich. Aber es ist ein Unterschied, ob das also wirklich so ein heftiger, schlimmer Schmerz ist, der durch Mark und Bein geht und wo man sich eigentlich sofort auch das Kind wieder von der Brust abreißen möchte. Oder ob es eben: Naja, es ist nicht angenehm, ist. Wenn es so aushaltbar ist, dann ist es wahrscheinlich nur der Schmerz, der durch die Wunde entsteht. Aber es entsteht keine neue Verletzung. Und wenn diese Ursache gelöst ist, heilen die Brustwarzen auch vollständig von alleine. Da kann man dann manchmal zuschauen. Und da muss man auch gar nichts drauf machen, Salbe oder was auch immer. Sondern, das passiert dann von Natur aus. Die heilen wirklich sogar relativ schnell und das Kind kann auch weiter angelegt werden und sie heilen trotzdem.
CH: Und was ist mit diesen Brustentzündungen? Wodurch entstehen die?
RG: Meistens ist das ein Milchstau, der nicht ausreichend behandelt wurde und wo sich dann Bakterien vermehrt haben, die eine richtige Mastitis ausgelöst haben. Vom Milchstau zur Brustentzündung ist es eigentlich ein fließender Übergang, rein klinisch wird es an der Anzahl der Bakterien festgemacht; von der Symptomatik ist es gar nicht so ein riesengroßer Unterschied. Und ein Milchstau, der entsteht – aus meiner Sicht – vor allem durch Stress.
CH: Das heißt, auch da wieder Wochenbett einhalten – also im Sinne von – zur Ruhe kommen, Regenerieren, Stress weg halten.
RG: Genau, sich nicht so einen Druck machen, keine Streitereien und ja nicht zu früh wieder topfit sein wollen und Haushalt schmeißen. Stress kann ja viele verschiedene Ursachen haben. Aber häufig, wenn man fragt bei Frauen, die einen Milchstau haben, ist da wirklich etwas vorgefallen. Da kommt die Schwiegermutter zu Besuch oder es gab irgendwie Stress mit dem Partner oder so etwas. Ich hatte meinen ersten Milchstau tatsächlich, als mein Sohn sechs Wochen alt war und wir zu einem Kinderkardiologen mussten, weil es eben abzuklären galt, ob er ein Herzfehler hat. Das hat sich ja bestätigt, dass er den hatte. Und in diesem Zusammenhang – wir müssen jetzt zum Kinderkardiologen; mein Sohn hat vielleicht einen Herzfehler – habe ich meinen ersten Milchstau bekommen.
CH: Ja, so interessant, so interessant. Ich finde das phänomenal und gut. Und auch erschreckend, wie unser Körper sofort auf unsere Psyche reagiert und gerade im Zusammenhang mit Geburt. Ich meine das tut er in anderen Zusammenhängen ja auch. Aber wir haben das Hinhören zu unserem Körper so verlernt und das ist wirklich eine tolle Gelegenheit da wieder besser hinzuhören: was brauche ich, was braucht auch mein Körper, was braucht auch das Kind? Also da mehr in die Langsamkeit und ins Beobachten zu gehen und ins Fühlen.
RG: Mir ist ja auch ganz wichtig das Vertrauen wieder zu gewinnen. Bei den Müttern, die ich betreue, oder über meine Webseite – auch über mein Buch – da geht es mir immer darum, ihnen zu vermitteln: du kannst deinen Körper vertrauen und deinem Baby – und auch deiner Intuition, deinem Gefühl. All das funktioniert es und in vielen Fällen ist es eben einfach so, dass dieses Vertrauen gemindert ist oder gestört wird durch kritische Bemerkungen oder eben durch Zweifel, die gesät werden: Alle, um mich herum, konnten nicht stillen. Oder: In meiner Familie konnte noch nie eine Frau stillen, die hatten immer zu wenig. Wahrscheinlich werde ich auch nicht stillen können… Diese Selbstzweifel machen ganz viel kaputt. Und viele Frauen sagen ja auch: Ich will versuchen zu stillen. Wenn es klappt, möchte ich gerne stillen. Aber ich habe mir auch zur Sicherheit schon eine Packung Flaschennahrung gekauft, die steht oben auf dem Küchenschrank. Wenn es hart auf hart kommt, habe ich die da und kann sie geben. Da steckt ja schon Selbstzweifel drin.
CH: Absolut. So als wäre erfolgreiches Stillen die Ausnahme, was ja gar nicht sein kann, weil sonst hätten wir ja ohne Flaschennahrung – und die gibt es jetzt auch so lange noch nicht – gar nicht als Menschen überlebt.
RG: Genau.
CH: Ja, das ist schon irre. Wie fühlt sich denn Stillen an? Weil, es kann sich ja auch sehr schön anfühlen. Es kann ja sogar sehr stimulierend sein, kann es auch. Es kann angenehm unangenehm sein, sag ich mal, aber auch sehr schön. Und ich finde, darüber muss auch gesprochen werden, dass es eine Bandbreite an Gefühlen gibt.
RG: Ich hab ja schon zweimal gesagt, die Schmerzen sind für mich nicht akzeptabel beim Stillen. Eigentlich hat die Natur das schon so eingerichtet, dass das Stillen auch für die Mutter angenehm ist und ihr nicht weh tut oder sie auch nicht irgendwie überanstrengt oder so. Es wird beim Stillen Oxytocin ausgeschüttet – das ist das Bindungshormon oder Kuschelhormon – das schütten wir auch aus, wenn uns jemand massiert oder streichelt oder wir mit lieben Menschen zusammen ein schönes Essen einnehmen. Nicht umsonst wird Oxytocin – und es wird auch beim Sex natürlich ausgeschüttet, beim Orgasmus, der wird auch durch Oxytocin ausgelöst – und das soll so sein, damit Mütter eben auch ihre Babys stillen und natürlich auch eine Belohnung dafür haben. Ja, die haben sie ganz unmittelbar. Es sollte sich nett anfühlen – nicht weh tun, sondern einfach schön sein, mit guten Gefühlen einhergehen. Und ja, es kann auch mal eine leichte sexuelle Erregung dabei sein. Aber das ist aus meiner Erfahrung tatsächlich nicht die Regel, sondern eine Ausnahme. Das kommt ganz ganz selten mal vor. Und es ist übrigens auch so, dass die Babys – bei den kleinen Jungs kann man das sehen, die haben manchmal auch eine Erektion beim Stillen. Also nicht immer, aber es kommt mal vor, weil das sich so schön anfühlt auch als Baby.
CH: Das ist ja sowieso so diese Messerschneide, wenn wir so über Körper und Empfindungen sprechen und dann geht es um Mutterschaft, Stillen, Geburt und Zeugung und das ist immer so getrennt. Dabei ist ja erstens einmal die Schnittmenge enorm groß, weil es die gleichen Organe sind. Dann sind es die gleichen Hormone und es sind die gleichen Belohnungssysteme und es wird so… Ich hab mal so einen Workshop gemacht – so einen Kommunikationsworkshop bei Hebammen in der Ausbildung, so ein zweitägiger Kommunikationsworkshop. Und es ging um die Frage: Gibt es eine orgastische Geburt? Gibt es das? Und es war so, also die einen waren fasziniert, die anderen waren komplett abgestoßen. Also es waren wirklich fast direkt zwei Lager. Und dann habe ich die – und das war eben Teil der Kommunikationsübung – ich habe die genau – als Wettstreit – das gegenteilige Argument, dessen von dem sie eigentlich überzeugt waren, verteidigen lassen. Sie mussten die Argumente finden. Und es war so interessant, weil wir aus unserer Erwachsenenperspektive ganz oft in die Gefühle Dinge hineindeuten, z.B. also angenommen, eine Frau hat ein Lustempfinden, weil eben die Brustwarze stimuliert wird. Das bedeutet aber nicht, dass sie in irgendeiner Form eine sexuelle Erregung auf das Kind projiziert. Das ist ja ein Unterschied: Das eine ist die Stimulation des Körpers und das andere ist welchen Projektionen finden statt. Und genauso ist es, wenn wir kleine Kinder beobachten – die kleinen Mädchen, die kleinen Jungs – wo die sich überall dran reiben. Permanent den Zipfel – also sowohl die Schamlippen als auch die Penisse oder die Hoden. Also wenn Kinder können, dann haben sie permanent die Hand da, wenn sie nackt sind, oder in der Hose und zupseln sich daran rum oder wachen morgens so auf. Das ist ja eben völlig normal. Nur wir mit unserem Erwachsenenbild – dieses Übersexualisierte, was wir überall haben – das macht dann daraus so eine schräge Kommunikation und/oder Interpretation. Und ich bin fast überzeugt, dass das auch mit eine der Ursachen ist, warum das Stillen in der Öffentlichkeit so verpönt ist, weil es so sexualisiert ist und die Brust ist ja quasi nur noch zur Befriedigung des Mannes. Wenn der Mann auf Brüste steht. Es gibt ja auch Männer, die stehen nicht drauf, es gibt welche, die finden es okay, und andere, die haben es als Fetisch, wie auch immer. Aber eigentlich war das mal gedacht zur Ernährung der Kinder ursprünglich. Und diese ganzen sexuellen Spielarten sind ja okay, aber wir haben da so einen Fokus drauf in unserer Gesellschaft und diese Funktion Kinderkriegen und alles darum und um diesen Bereich Körper der Frau: Fruchtbarkeit, Periode, Menarche, Menstruation und Menopause – komplette Tabuthemen, komplette Tabuthemen – Wahnsinn!
RG: Meine Ausbilderin für die Stillberaterinnenausbildung hat immer zu uns gesagt: Mit den Brüsten ist es wie mit der elektrischen Eisenbahn; für die Kinder ist sie gemacht und die Männer spielen damit.
CH: Da ist ein guter Satz, das ist wirklich ein guter Satz, das ist wirklich sehr witzig.
Kommen denn auch Paare? Machst du auch Hausbesuche oder kommen die in deine Praxis?
RG: Ich habe früher mal Hausbesuche gemacht, aber inzwischen mache ich das nicht mehr. Jetzt aktuell kommt auch keiner zu mir, sondern ich mache das online per Zoom. Aber an und für sich habe ich hier einen Praxisraum, in dem ich dann auch die Beratungstermine mache, wenn es Frauen oder Paare hier aus der Gegend sind. Ich habe auch manchmal Anfragen aus München oder aus Berlin oder aus Tokio oder so und da geht es natürlich sowieso nur Online.
CH: Was ich dich fragen möchte, ist: Gibt es denn da – trauen sich Männer dann spezielle Fragen zu stellen? Weil sie zum Beispiel sagen: Meine Frau, die hatte irgendwie vor so lange zu stillen, solange das Kind gestillt werden möchte. Aber ich spiel so gern mit der Eisenbahn, kann ich mir die Brust mit meinem Kind teilen? Also kommen solche Fragen oder eher nicht?
RG: Also diese Frage ist mir noch nicht gestellt worden, jedenfalls nicht von einem Mann. Ich habe manchmal Frauen, die mir sagen: Mein Mann möchte gerne, dass ich abstille, weil er sich ausgeschlossen fühlt, weil er das Gefühl hat, das Kind möchte lieber nur von Mama ins Bett gebracht werden und er kann keine richtige Beziehung aufbauen. Und da wird dann eben auch schnell so eine lange Stillzeit verantwortlich gemacht und als einziger Ausweg das Abstillen – jetzt dann mal endlich – gesehen. Aber es kann auch sein, dass das nur vorgeschoben ist. Also, dass da vielleicht dann auch der Mann sagt, ich kann keine Bindung zu dem Kind bekommen und in Wahrheit geht es ihm um etwas anderes. Also, ich weiß es nicht. Das kann ich nicht beurteilen.
CH: Würde denn das stören? Eine Frau kann ja trotzdem Sex haben, auch wenn sie stillt – also jetzt nicht parallel.
RG: Tandem- und Tridem-Stillen ist ja der beste Beweis dafür, dass Mütter auch Sex haben können, wenn sie noch stillen. Ich habe es auch schon umgekehrt gehabt, dass Frauen – also, dass Männer wollten, dass eine Frau ihre Milchbildung wieder anregt, obwohl sie eigentlich jetzt gar nicht schwanger war und auch gerade kein Kind zum Stillen hatte – weil er das toll fand und erregend fand und gerne ja eben diese Milchbrüste bei der Frau wieder hätte.
CH: Ich würde da ja immer sagen, wenn es der Frau auch Spaß macht, warum nicht? Aber die Frau ist ja wohl nicht dazu da, die Männer und ihre Bedürfnisse oder ihr Verlangen zu befriedigen. Sei es: Still ab! Oder sei es: Bitte behalte die Milchbank! Muss man dann auch die Frauen wieder stärken. Aber ich wollte es unbedingt ansprechen und find’s toll, dass du die Fragen beantwortet hast.
Hast du noch irgendwas zu ergänzen? Haben wir irgendwas nicht besprochen?
RG: Wir haben ziemlich viel besprochen. Ich wollte vielleicht einfach noch mal sagen, dass die Männer wirklich so eine wichtige Unterstützungsfunktion für die stillende Mutter haben. Wenn ein Mann oder der Partner das nicht gut findet und nicht unterstützt, ist es für die Frau sehr schwer wirklich entspannt zu stillen oder eben auch länger zu stillen. Das ist schon wichtig, dass der Mann das auch mitträgt und sich nicht ausgeschlossen fühlt, sondern weiß, dass er eben auch mit dem gestillten Kind alles machen kann, was die Mutter sonst noch mit dem Kind macht – außer es zu stillen. Die Männer sind überhaupt nicht ausgeschlossen. Sie können die Kinder tragen – mit Tragetuch oder Tragesack – oder zusammen mit den Kindern baden. Sie können massieren und mit ihnen spielen. Und je älter die Kinder werden, desto mehr kann man eben auch mit den Kindern machen und dass da irgendwann eine Phase kommt, wo dann aber auch das Kind sagt: Nein, jetzt Mama, Mama, Mama. Und Papa ist irgendwie völlig abgeschrieben, das ist eher eine normale Entwicklungsphase als dass es tatsächlich etwas mit dem Stillen zu tun hat. Weil das kommt bei allen Kindern vor. Das kann auch mal umgekehrt sein, dass irgendwann der Papa der große Held ist und Mama völlig abgeschrieben ist und gar nicht mehr angesagt ist.
CH: Schreibst du darüber auch in deinem Buch? Über die Rolle der Väter? Oder vielleicht kommt ja noch ein zweites Buch?
RG: Ich muss mal eben gucken. Die Väter sind nicht so zentral, muss ich zugeben. Aber das hängt damit zusammen, dass das Buch nicht so dick ist und eine Seitenzahlvorgabe hatte. Ich habe mich schon sehr stark auf den Stillbeginn konzentriert, weil da die Weichen gestellt werden und da die meisten Probleme auftreten. Und wenn die Probleme nicht gelöst werden, dann auch schon nach wenigen Wochen abgestillt wird in vielen Fällen. Deswegen war es mir wichtig diese erste Zeit, wo es überhaupt alles erst richtig losgeht, zu behandeln. Und diese spätere Zeit mit dem Kleinkind konnte ich nicht mehr so umfassend aufnehmen, weil ich einfach mit 150 Seiten meine Schwerpunkte setzen musste. Und da war für mich klar, das ist der Anfang. Weil der muss erst mal klappen sonst kommen sie ja gar nicht da hin, dass sie vielleicht irgendwie noch mit anderthalb Jahren am Stillen sind und es jetzt darum geht: Wann stillst du endlich ab oder so. Da muss ja erst mal der Anfang klappen.
CH: Super, vielen Dank. Das war ein sehr ausführliches, sehr spannendes Interview, ganz herzlichen Dank dafür. Wir sind auch eine Stunde zwanzig, das ist schon eine längere Zeit.
RG: Ja, aber ein paar gucken noch zu.
CH: Ja, 15 ist schon ganz gut. Meistens wird es dann in den nächsten Tagen viel angesehen, weil jetzt gerade laufen einige Lives und vielleicht auch gute Filme.
RG: Aber wir freuen uns über jeden, der noch zuguckt. Da kommen gerade so Herzchen an uns, die sehe ich.
CH: Ja, so mitschreiben und Herzchen schicken, das finde ich immer ganz toll. Offensichtlich hat es unseren Zuschauerinnen auch gefallen. Mir hat es sehr gut gefallen und hat sehr viel Spaß gemacht und vielen, vielen Dank für die Zeit und die tollen Antworten, sehr aufschlussreichen Antworten, liebe Regine.
RG: Ja, gern, da nicht für. Ich fand es auch gar nicht schlimm, das war ja mein erstes Live-Interview und ich war tatsächlich ein bisschen aufgeregt vorher. Aber jetzt …
CH: Ja, wenn man im Element ist, dann ist man im Element. Dann fällt es gar nicht mehr auf, dass man das noch nie gemacht. Ich fand’s ganz souverän. Also ganz herzlichen Dank und ich wünsche euch allen noch einen schönen Abend. Ich speichere das ab und dann ist es ein Beitrag und dann könnt ihr den ganz viel in euren Stories bewerben, dass die Leute sich das angucken und natürlich dann vielleicht auch der Regine Gresens folgen. Bei Stillkinder auf Instagram oder auch der Blog. Ich habe übrigens den Blog auch abonniert seit zwei Jahren oder drei sogar – finde ich ganz spannend. Und das Buch heißt: „Intuitives Stillen“. Jetzt habe ich geworben für dich noch mal.
RG: Danke schön. Vielen Dank.
CH: Dann schönen Abend und ich drücke jetzt auf den Knopf hier oben.
Regine Gresens, IBCLC, August 2021
Foto: Regine Gresens
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