Bereits 29 Mal geteilt!
Autorin: Diane Wiessinger, IBCLC |
Du wirst es am Anfang noch nicht „verstehen“ können. Denn zu Beginn dreht sich beim Stillen alles um die Anlegetechnik, Stillposition, Zeiten, Schlucken, wunde Brustwarzen; und Du hast dabei das Gefühl, als ob sich Dein gesamtes Leben auf das Ernähren des Babys reduziert hat.
Aus Deiner Perspektive sind diejenigen von uns, die es genossen haben, unsere Kinder zu stillen, auf der anderen Seite einer riesigen, emotionalen Kluft.
Was auf der anderen Seite ist, können wir nicht mit Worten vermitteln. Wir können Dir nur helfen über die Brücke zu kommen, so dass Du es selbst sehen kannst.
Wenn Du dort bleibst, gefangen in der Vorstellung, Stillen sei nur eine Ernährungsmethode, kannst Du diese Brücke vielleicht nie ganz überqueren.
Ach, wenn Du die Aussicht von der anderen Seite nur sehen könntest! …
Wenigstens solltest Du erfahren, dass es sie gibt.
Diejenigen von uns, die es „erfahren“ haben, würden sich nicht schuldig fühlen, wenn wir unser nächstes Kind nicht stillen könnten. Nein, es würde uns quälen.
„Schuld“ heißt, dass man sich schlecht fühlt, weil man für jemanden etwas nicht getan hat, was man hätte tun „sollen“. Egal, ob man es selbst gern getan hätte oder nicht.
„Qual“ hingegen bedeutet, dass man selbst großen Schmerz und Trauer verspürt, so als ob einem ein Stück von sich selbst weggerissen wurde.
Stell Dir vor, Du müsstest Dich fortbewegen, indem Du Dein Körpergewicht nach links verlagerst, dann Dein rechtes Bein vorwärts bewegst, das Knie zu Beginn leicht gebeugt, dann allmählich gestreckt.
Die rechte Ferse setzt auf, während Du Dich auf den Ballen Deines linken Fußes abhebst.
Deinen linken Arm schwingst Du vorwärts, synchron im Wechsel mit dem rechten, zurückschwingenden Arm.
Dann führst Du den ganzen Prozess erneut spiegelbildlich aus, für den nächsten Schritt…
Kein Spaß, nicht einfach, nicht anmutig, nichts, was Du weiter üben möchtest.
Dann stell Dir nun die Leichtigkeit und Freude von einfachem … „Laufen“ vor.
Und jetzt stell Dir vor, jemand würde Dir sagen, Du müsstest es aufgeben.
Was würdest Du empfinden? Schuld? Oder Qual?
Ich wünsche mir, ich könnte Dir vermitteln, was für eine einfache, selbstverständliche, überwältigende, köstliche Freude es für mich war, meine Kinder zu stillen.
Nachdem ich es einmal „verstanden“ hatte, habe ich sie nicht mehr „gefüttert“, ich habe mir keine Gedanken mehr über die Abstände gemacht, ich habe nichts unterdrückt.
Wir haben gestillt, wenn sie es wollten und wenn ich es wollte – sogar nur, um sie ruhig zu halten, während ich telefonierte.
Nachts war das Stillen ein stilles Erholen vom Durcheinander des Tages. Nicht immer, aber wie eine Mutter einmal sagte: „Natürlich bereitet es Umstände zu stillen. Aber es bereitet nun mal Umstände Mutter zu sein.“
Stillen war eine fundamentale, essentielle Verbindung zwischen uns und machte alles Andere – von den Windeln des Neugeborenen bis zu den Trotzausbrüchen des Zweijährigen – viel, viel einfacher.
Hinzu kommt noch, dass die Erfahrung, das perfekte Zentrum des Universums für einen anderen Menschen zu sein, das Selbstvertrauen jeder Mutter ungemein stärkt.
Kann man die gleiche Bindung durch Flaschenfüttern erreichen? Nein.
Denk daran, dass eine stillende Mutter einen besonderen Hormonstatus hat. Ihr ganzer Körper reagiert auf ihr Baby in einer Weise, die bei einer Flaschennahrung fütternden Mutter, einem Babysitter oder einem Vater nicht möglich ist.
Ihr Säugling erhält all seine Kalorien immer in einer ganz-körperlichen-voll-mundigen Haut-auf-Haut-Umarmung von seiner geliebten Mutter.
Ihr älteres Kind kommt später zu ihr, um seine größeren Kümmernisse jeder Art gelindert zu bekommen, auf eine einfache Weise, nämlich durch das Stillen.
Stillen ist die erste Beziehung eines Neugeborenen und es ist von der Natur vorgesehen, dass sie die ersten Jahre des Kindes dauert.
Als Gesellschaft, sagen wir uns selbst immer wieder – ohne Beweise -, dass die Abwesenheit dieser fundamentalen menschlichen Beziehung keine Langzeitauswirkungen für die Mutter, das Kind, die Familie oder die Gesellschaft hat.
Ich habe bisher in jeder Altersstufe Freude an unseren Kindern gehabt – und sie sind jetzt junge Erwachsene. Ihr Vater und ich haben das Gefühl, wir haben nach den ersten 10 Jahren keine wirklichen Elternpflichten mehr ausüben müssen, wir konnten uns einfach zurücklehnen und uns an ihnen freuen.
So etwas ist heute in Amerika eher ungewöhnlich. Hängt es vielleicht zum Teil mit unserem Start in eine lange, luxuriöse Stillbeziehung zusammen? Ich denke schon.
Und wie jede Frau, die die andere Seite der Brücke erreicht hat, hoffe ich, eine Hand zurückstrecken zu können, um Anderen herüber zu helfen.
Die Sicht von hier ist durch Nichts zu ersetzen!
Original: „It’s Not Really About The Milk“ von Diane Wiessinger, MS, IBCLC, 2008
Übersetzung: Regine Gresens, IBCLC, Juli 2004
Foto: Raphael Goetter via photopin cc
Dir gefällt dieser Beitrag? Dann pinne ihn in die Welt hinaus!
Fürs Liken, Teilen und Pinnen sage ich herzlich Danke!
Danke für diesen Beitrag – Sie sprechen mir aus der Seele.
Ich stille meinen Sohn seit 8 Monaten und es sind Momente der Pause und der Entspannung, dieses Gefühl der vollkommenen Zufriedenheit, des Glücks und den Stolz mein Kind ernähren zu können, würde ich für nichts auf der Welt missen wollen!
Ich finde es sehr schade, dass viele Menschen es nicht verstehen (wollen), dass es hierbei keinesfalls nur um Nahrungsaufnahme geht…